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Ein Paar rote Schuhe

Heute mache ich es, dachte ich. Ich saß bei MäcDoof an einem Tisch vor der Fensterfront und starrte in die Auslage des Schuhladens gegenüber. Ein rotes Paar Schuhe, um das ich schon seit Tagen herumgeschlichen war, stand in der Mitte auf einem Stufengestell und leuchtete verführerisch aus dem Schaufenster heraus. Wenn ich genau hinhörte, flüsterte es: Hole mich, zieh mich an, geh mit mir in die Disko, egal, was es dich kostet. Und wenn es dich nichts kostet, umso besser.

‚Warum-warum‘ fragst du? Gott, wie ich diese Frage hasse. Die Frage ist falsch, falsch ist sie. Ich weiß nicht, was richtig ist, will es gar nicht wissen. Soll ich mir lieber mein Gesicht anschauen, das sich in der Scheibe spiegelt? Mich in seine pickelige Trostlosigkeit vertiefen und mir über den trotzig verzogenen Mund Gedanken machen?

Ich gehe jetzt rüber, dachte ich, doch als ich eine Frau um die fünfzig mit einem kleinen Scheißer an der Leine auf das Geschäft zusteuern sah, wartete ich noch ein bisschen. Sie hatte einen Pelzmantel an und trug ihre dunklen Haare hochgesteckt; ich tippte auf viel Goldschmuck, was ich von hier aus ja nicht sehen konnte. Die Alte parkte ihren Hund vor dem Fahrradständer und trat sich hinter der Glastüre den Schnee von den hochhackigen Schuhen ab. Man kann zu gut von der Straße aus in den Laden reinsehen, dachte ich, der ist eigentlich keine gute Wahl. Die Frau tippelte im Geschäft herum, nahm da und dort ein paar Schuhe aus dem Regal, drehte sie in der Hand und stellte sie wieder zurück. Die Verkäuferin kam zu ihr herüber, doch die Frau winkte nur ab. Während die Angestellte wieder zurück zu ihrer Kasse ging, sah ich eine schnelle Bewegung, mit der die Alte ein paar Stiefeletten in ihrer Tasche verschwinden ließ. Ich verschluckte mich an meinem Kaffee. Ich hustete und hustete, während die Alte wieder weiter tippelte, als wäre nichts gewesen. Im Frittenbunker war es stickig und der mehlige Fettgeruch verursachte mir Übelkeit. Ich musste dringend an die frische Luft, stand auf und schob mein Tablett in den Rollcontainer. Draußen zündete ich mir eine Zigarette an.

Die Frau mit dem Pelzmantel verließ das Schuhgeschäft, nahm ihren Teppichporsche mit, der inzwischen ordentlich abgekackt hatte, und ging direkt an mir vorbei. Wir sahen uns komplizenhaft an, jedenfalls glaubte ich das für einen Moment. Vielleicht glotzte die Alte auch nur durch mich durch und bekam gar nicht mit, dass sie in ein Gesicht schaute. Ich sah ihr nach und stellte mir vor, wie sie nachts neben ihrem kahlköpfigen schwitzenden Mann lag, er im Feinripp und sie im Satinnegligé. Wie er sich an sie ranmacht. Ihm fällt nichts Besseres ein, als ihr irgendwas mit seinem Bieratem ins Ohr zu flüstern, was er immer sagt, bevor er auf sie draufsteigt. Klar machen sie kein Licht an und ziehen sich im Dunkeln aus. Sie weiß im Voraus, dass es bald vorbei ist und sie wieder Ruhe vor ihm hat in der nächsten Woche. Dann kommt er in ihr und stöhnt ein bisschen rum und sie geht in Gedanken ihren Einkaufszettel für den nächsten Tag durch.

Ich trat meine Kippe aus und ging in den Laden. Verkäufer kriegen meistens nichts mit, solange man sich nicht auffällig verhält; die sind in erster Linie mit sich selbst beschäftigt. Eigentlich könnte man fast jeden Laden ausräumen, ohne Probleme. Das rote Paar Schuhe stand in fünffacher Ausfertigung im Regal. Ich strich über das lackierte Leder, es fühlte sich kühl und geschmeidig an, wie die Haut einer Schlange. An der Seite war eine flache Lederrose befestigt. Ich schielte zu der Verkäuferin hin, die durch einen Türvorhang ins Hinterzimmer schlüpfte. Zu einfach, dachte ich mir, das ist nicht fair, und wartete darauf, dass sie zurückkäme. Aber sie kam und kam nicht. Nach einer Weile wurde es mir zu blöd und ich ging wieder.

Später klaute ich die gleichen Schuhe in einem anderen Laden. Ich kam nie dazu, sie zu tragen, sie passten überhaupt nicht zu meinen Klamotten. Eigentlich schade drum, dachte ich und nachdem ich neulich bei mir ausgemistet hatte, brachte ich sie zu einem Wohlfahrtsladen um die Ecke.

Jetzt läuft meine Nachbarin mit ihnen rum und ist glücklich damit.

angela kreuz

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