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Billy Collins
Ausweichmanöver
Als ich aufwuchs, versteckte ich mich vor den anderen Kindern.
Ich zog mich zurück vor der Meute,
die jeden Samstag durch die Straßen patrouillierte

und endete schließlich allein hinter einer Hecke
oder im schummrigen Gang eines fremden Kellers.
Nie kam jemand, um mich zu suchen,
was meine Aufregung nur noch steigerte.

Vor Erwachsenen pflegte ich mich genauso zu verstecken,
meistens hinter dem langen Mantel meiner Mutter
oder ihrem geblümten Kleid, je nach Saison.

Ich versuchte zu lernen, wie man zwischen den Beinen
seines Vaters läuft, während er ging
wie ein Zirkuspudel, den ich im Fernsehen sah.

Und ich versteckte mich hinter Büchern,
in der Regel einem der Bände der Enzyklopädie,
die hinter Glas in einem Bücherregal stand,
die Buchstaben des Alphabets auf den Einbänden golden.

Bevor ich lesen konnte,
saß ich im Wohnzimmer in einem Sessel
und blätterte durch die Seiten, ohne einen Schlüssel

zu den Welten, die man dort
zwischen D und F, M und O, W und Z gepresst hatte.

Vielleicht kann das erklären, warum
ich heute früh als Erstes
aus dem Schlafzimmerfenster in Richtung
der dichten Bäume, niedrigen grauen Wolken sah

und dabei lauthals das Wort Gastropode sprach –
und weil ich keine Ahnung hatte, was es bedeutete,
nach unten ging und es nachschlug, um mich
dann im Wald zu verstecken vor meiner Frau und unserem Hund.

 

Aus dem Amerikanischen von Ron Winkler  

Billy Collins    21.07.2007    

Billy Collins
Lyrik