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Retterin der Welt

Alexa Hennig von Lange: Warum so traurig? Roman

Alexa Hennig von Lange: Warum so traurig?„Als Kind fühlte ich mich zu rein für diese Welt. Vielleicht bin ich gekommen, um sie zu retten ...“ Diejenige, die das sagt, ist Lizzy in Alexa Hennig von Langes neuem Roman. Nachdem das Erstlingswerk sie vor einigen Jahren bekannt machte, wurde von Lange zu einer der erfolgreichsten Autorinnen der Popgeneration stilisiert. Als Repräsentantin dieser Zeitgeist-Prosa, deren Hauptthema das egomanische Kreisen um die kleinen Sorgen mitten im Luxus ist, fühlte sie sich verpflichtet, im Jahresrhythmus weitere Bücher folgen zu lassen.

Philip will nicht mehr mit Elisabeth, alias Lizzy, schlafen und ein Kind will er mit ihr auch nicht haben. Die Ehe ist in der Sackgasse, alle Tricks umsonst, so auch eine Reise nach Lissabon, die alles hätte kitten sollen. Lizzy liebäugelt mit der Vorstellung, einen gut aussehenden Mann plötzlich hinter einem Gebüsch hervorspringen zu sehen, der sie packen und mit sich nehmen würde. Philip will sie verlassen, und ob er es tut, ist eigentlich egal. Bleibt die Frage, warum so traurig?

Vielleicht weil Lizzy gerade dabei ist, die Basis in sich zu finden, die ihr helfen soll, auch von fremden Menschen gemocht zu werden. Philip hingegen ist „grobmotorisch“ unsensibel. In seiner Jugend wünschte er sich, „Stricher zu werden. Heroin wollte er auch nehmen. Nichts dergleichen hat er gemacht.“ Wenn das kein Grund zum Schmollen ist! Dabei hätte Lizzy ihm im Notfall sogar etwas beschafft. Wer wollte da ihren Seufzer nicht verstehen: „Dann wäre ich jetzt nicht so allein mit meinen Sorgen.“ Philips Mahnungen vor Drogen nerven sie, wo ihr doch gerade diese künstlerisches Profil verleihen.

Lizzy möchte Kinder haben, weil es für sie nichts Schöneres gibt, als zu reproduzieren, was sie selbst ist. Angesichts dunkelrot lackierter Zehennägel in blauen Badelatschen auf schwarz meliertem Teppichboden kann sie nur schwer widerstehen, ihr eigenes Spiegelbild zu küssen. Für Farben und Posen hat Lizzy ohnehin ein Faible. Zugedröhnt liegt sie auf einem Leoparden-Muster-Bettüberwurf eben viel fotogener als einfach nur rumzuhängen wie gewöhnliche Partyleichen.

Unweigerlich desolat ist die Leere, die einen anspringt aus dem plappernden Grundton des Buches. Psychologisierende Oberflächlichkeit wird adjektivisch bunt angemalt, um wie bei Placebos über deren Wirkungslosigkeit hinwegzutäuschen. Sie langweilt mit Plattitüden und gipfelt in lästigem Kauderwelsch. „Wo Philip sich eine Kerze anzündete“, stutzt man, ob er die Kerze rauchen will. Da „könnte mir es Erleichterung verschaffen“, wie Lizzy, als letzte Zuflucht nach der Mamaliebe­Mamaliebe­Mama­liebe­Mama zu schreien. Infantile Attitüde weicht der pseudointellektuellen Coolness und dem vermeintlich hippen Kokettieren mit Drogen.

Es kann sein, dass mancher Leser irritiert ist von Alexa Hennig von Langes, pardon, Lizzys Welt der schmalen Kleider, goldenen Ohrstecker und kinnlangen Haare, die am besten im Hilton zur Geltung kommen. Eine Welt, wo die Versuchung am Ende doch nicht verwegen aus dem Gebüsch springt, sondern als braver Ehemann einer anderen auf der Terrasse steht, René heißt und nur „seine gebräunte Hand auf die nackte Schulter mit dem dünnen Träger legt“. An dieser Stelle wäre Schluchzen angebracht.

Es ist auch ziemlich wahrscheinlich, dass mancher drogenunerfahrene Leser die hinreichend bekannte Gefahr von Drogensucht um eine neue Dimension erweitert sieht, die nämlich des künstlerischen Profils, das sich in Abhängigkeit aufbläht wie ein Ballon mit heißer Luft.

Mit Sicherheit aber wird eben dieser Leser auf die Frage Warum so traurig? eine dezidierte Antwort haben: weil er Montezumas Rache in Gestalt des nächsten Werks fürchtet.

Alexa Hennig von Lange
Warum so traurg?
Roman
Berlin: Rowohlt Berlin 2005

Popliteratur - Kolumne im Poetenladen

Alexa Hennig von Lange wurde 1973 in Hannover geboren. 1997 erschien ihr Debütroman Relax. Neben Romanen veröffentlichte sie Erzählungen und Theaterstücke. Sie hat zwei Kinder und lebt mit ihrer Familie in Berlin.

© 13.11.2005  Dorothea Gilde            

Dorothea Gilde
Interview