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Morten Ramsland

Hundsköpfe

Familie kubistisch

Morten Ramsland | Hundsköpfe
Morten Ramsland
Hundsköpfe
Roman
Schöffling & Co. 2006
Hundsköpfe lauern im Keller und erschrecken Asger. Hundsköpfe muss Asger zeichnen, um endlich über dieses Kindheitstrauma hinwegzukommen. Hundsköpfe ist ein norwegisch-dänischer Familienroman des dänischen Schriftstellers Morten Ramsland, dessen einzelne Episoden und Verzweigungen einfallsreich erdacht und kunstvoll miteinander verwoben sind. Erzählt wird die Familiengeschichte aus der Sicht von Enkel Asger, der als Künstler in Amsterdam zu überleben versucht und nach Dänemark heimkehren muss, um seine sterbende Großmutter ein letztes Mal sehen zu können. Dort beginnt er, die Familiengeschichte in Bildern wieder zusammenzutragen, oder besser: zusammenzumalen, beginnend bei seinem Großvater und abschließend bei sich selbst und seiner Schwester. Die Erzählperspektive lässt den Wahrheitsgehalt des Beschriebenen und die Fantasie des Erzählers verschwimmen: Was sich tatsächlich so ereignet hat und was der junge Asger erfindet, um Erinnerungslücken zu schließen, ist nicht immer klar, muss es aber auch nicht sein.

Der Großvater ist ein alkoholkranker Tyrann, der kubistische Bilder mit Titeln wie „Der Vandale sitzt im Briefschlitz fest“ oder „Der Lügner stolpert über seine eigene Geschichte“ malt und ständig seinen Job als Schiffsingenieur verliert, weil sich kubistische Elemente auch in seine Schiffszeichnungen mischen und ihre Ausführung so unmöglich machen. Sohn Niels junior wird mit überdimensionierten Ohren geboren und so zum Gespött der Nachbarsjungen, die Schlamm und Insekten in seine Ohren stecken, was wiederum die Großmutter zur Verzweiflung bringt. Und schließlich gibt es Niels' geistig behinderte Schwester Anne Katrine, die tätowierten Seefahrer Appelkopp und Knut, Asgers Schwester Stinne, seine betörende rothaarige Cousine Signe und natürlich Asger selbst, der Angst vor der Dunkelheit und dem im Keller lauernden Hundskopf hat und sich gegen die sexuellen Übergriffe seiner Tante wehren muss.

Familienromane über drei bis vier Generationen erscheinen jedes Jahr zu Dutzenden, und immer wieder sind nur wenige darunter, die wirklich faszinieren. Hundsköpfe ist ein solcher Roman. Das liegt zum Beispiel daran, dass der alkoholkranke und tyrannische Großvater weder lächerlich noch bösartig erscheint, sondern mit großer Sympathie beschrieben wird. Es liegt auch daran, dass ein geheimnisvoller skandinavischer Wald in einem Kapitel eine Hauptrolle spielt. Oder daran, dass die Bilder, die Asger für den Leser malt, genau an den richtigen Stellen detailgetreu, nur schraffiert oder ganz einfach weiß sind. Und natürlich an den zahlreichen absurden und absonderlichen Charakteren, die in Hundsköpfe auftreten. In Dänemark bekam der Roman bereits zahlreiche Literaturpreise, darunter den Preis der Leser 2005. Der deutschen Übersetzung ist nun derselbe Erfolg zu wünschen.
Morten Ramsland, geboren 1971, studierte Dänisch und Kunstgeschichte. Neben seinen Romanen veröffentlichte er Gedichte und eine Reihe von Kinderbüchern. Morten Ramsland lebt bei Aarhus, ist verheiratet und hat zwei Kinder.
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Katharina Bendixen     15.09.2006

Katharina Bendixen
Prosa
Reportage
Gespräch