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Uwe Kolbe

Heimliche Feste

Liebesreisen
Neue Gedichte von Uwe Kolbe

Uwe Kolbe | Heimliche Feste
Uwe Kolbe
Heimliche Feste
Gedichte
Suhrkamp 2008
Im Jahr 2007 wurde der Berliner Dichter Uwe Kolbe zu seinem 50. Geburtstag mit einem wunderhübschen Inselbändchen beschenkt. Es versammelt seine schönsten Liebes­gedichte unter Drein­gabe unwider­stehlich guter Farb­holz­schnitte von Hans Scheib („Diese Frau“ Insel-Bücherei Nr. 1297). Dieses Jahr nun folgt Kolbes neuer Gedicht­band, der ihn einmal mehr als Liebenden, ja als einen Liebes­reisenden zeigt.

Schon das erste Kapitel, mit „Sailor's Home“ überschrieben und mit „Gedichte von Liebe und Trunkenheit“ untertitelt, stimmt auf das Hauptthema ein. Aber ein Spaziergang wird das für Old Sailor nicht, Verletzungen und Abschiede sind vorprogrammiert: „Und wieder ein Liebeslied /vom Rande der Katastrophen“. Folgerichtig endet das Anfangskapitel als kleine Litanei, die um einen einzigen Vers kreist: „Wir müssen aufhören.“ Weiter geht die Reise. „In Pfalzen“ tritt Orpheus beim Venningener „Sportvereinslokal“ auf, und Kolbe hofft, „nahe genug der Bühne / ein Foto von ihm zu schießen“. Orpheus, der fahrende Sänger, dessen unwiderstehlichem Gesang die Frauen reihenweise erliegen, auch wenn „an dem Kanal, der Rhein heißt“ das Atomkraftwerk Philippsburg steht: „Zwei dampfende Türme, / Zeichen gescheiterten Menschenplans“. Weiter geht's in Orpheus' Heimat, nach Thrakien, wo dem Dichter eine „Mantis Religiosa“, eine Gottesanbeterin auf die linke Schulter steigt und ihm eines seiner schönsten Gedichte abverlangt: „Nie war das Ritual so deutlich, das sie mir anbot.“ Aber das Verweilen, so verlockend es im Augenblick ist, währt nicht ewig.

Die nächste Station bündelt so verschiedene Orte wie Leipzig, Kaffeetasse und Septembermorgen. Der Ort „Nein“ wird zu einer grandiosen Absage an alle notorischen Jasager. Schließlich gelingt ihm „im trostvoll leichten Jargon“ mit den zwei Achtzeilern „Halle-Lureley“ eine Mixtur aus Brentano, Heine und Kolbe, die besoffen machen kann: „Ich weiß nicht, was soll aus mir werden, / wenn wir nicht beisammen sind. / Ich geh meine Weile auf Erden / tagtäglich allein und wie blind.“ Danach geht es „In Nächten“ darum, das Alleinsein auszuhalten: „Schon wieder weiß ich, wie ich leben will / und daß ich nicht lebe so“ und „Im Norden“ den „Stader Liebeskummer“ zu bestehen. Erneut erscheint Orpheus dem Dichter, dieses Mal als Engel, dem anzusehen ist, was er „im Aufstieg nicht halten konnte“, bitter wird resümiert: „wir waren besser / auf unserer Flucht in den Orkus“.

Am Ende der Reise landet Uwe Kolbe „In Büchern, in Preußen“, dort also, wo er sich vielleicht am besten auskennt, wo er nach dem vielen Unterwegssein wieder einmal versucht, heimisch zu werden. „Wieder wissen, worum es geht … Wieder heroisch hermetisch sein … Wer dies versteht, der ist dabei, / der ist im Park zu Hause“. Wie immer wird bei Uwe Kolbe nichts erklärt, gibt es keine Fußnoten, müssen die Gedichte ganz für sich sprechen, sind sie „Quelle aus Schweigen und Unsichtbarsein. / Die Quelle unter dem Lärm“.
 

Zuerst erschienen in SAX. Das Dresdner Stadtmagazin

Michael Wüstefeld   09.02.2009   
Michael Wüstefeld
Lyrik