POETENLADEN - neue Literatur im Netz - Home
 
 
 
 
 
 
 
Geschichten aus der Oberpfalz

Künstlerpech

Da war der Künstler, ein Zugezogener.
Der hat sich den ganzen Garten zugestellt, mit so ein paar seltsamen Figuren. Sachen hat der gebaut, der Künstler! Aus Bratpfannen, Stühlen, Fahrrädern und Blechdosen. Lauter unbrauchbares Zeug, das er auch noch bunt angemalt hat. Und gesoffen hat er, wie ein Wilder. Ja, bis er dann eines nachts auf dem Heimweg drei Burschen mit seinem Mofa totgefahren hat. War mal wieder so betrunken, dass er nicht mehr wußte, wo er langfährt, und Licht hat er auch keins gehabt. Die Jungs kamen grad' vom Star in ihrem Opel, wollten dem Künstler ausweichen und sind am Baum gelandet. Danach hat er nichts mehr gebaut. Der Garten ist verwildert, die paar komischen Gestalten waren schon ganz zugewachsen. Auf seinen Prozeß hat er gewartet, der Künstler. Mit dem Mofa ist er nicht mehr gefahren und getrunken hat er auch nicht mehr.
Bis auf ein einziges Mal, und dass auch nur, um sich dann selbst totzufahren.


Dorfmühle

Da ist die Familie Meier, die aus dem Rheinland zugezogen sind. So ein paar verlotterte Hippies, die doch tatsächlich die heruntergekommene Dorfmühle vom Krätzer gepachtet haben. Dabei war das nun wirklich nur noch eine Ruine. Mit einem Haufen Kinder sind sie dahergekommen, dreckig waren die und mit so langem Haar, auch die Buben. Und einen Zoo haben die! Die Tiere sind auch alle nicht normal. Der Ganter steht den ganzen Tag vorm Spiegel, wie ein schwuler Geck. Die Klepper haben sie vor dem Schlachthof gerettet und dann vor den Pflug gespannt. Dabei ist der eine lahm und der andere blind. Die Ziegen, Schafe und Hühner laufen alle frei herum. Es will schon keiner mehr vorbeischauen, weil der Bock so wild ist. Katzen haben die! Unzählige, die überall herumliegen. Und dann noch den Lumpi; so einen zerzausten Hund hat die Oberpfalz noch nicht gesehen gehabt. Überhaupt, es ist eine Schande für alle Ansässigen, mit solchen als Nachbarn leben zu müssen. Der alte Müller tät sich im Grabe umdrehen, wenn er sehen könnte, wer da nun in seiner Mühle haust. Eines Tages hat der Bock den alten Gaul angegriffen, wie der gerade vom Hippievater übers Feld geführt wird. Da ist der Klepper durchgedreht und der Hippie hat sich den Arm gebrochen.
Hätten sie sich doch besser einen Traktor gekauft, wenn sie ihre Tiere schon nicht anbinden können.


Haarlos

Da ist der Stamer Rüdiger, der seinen Hof ganz aufs Vieh umgestellt hat. Der trägt kein einziges Haar mehr am Körper, seit seine Mutter gestorben ist. Seine Schwester, die mit ihm auf dem Hof lebt, verlässt seitdem das Haus nicht mehr. Wahnsinnig soll sie geworden sein. Hört Stimmen und mit sich selber spricht sie auch. Das zumindest kann die Krätzerin bezeugen, die hat unterm Fenster gestanden, rein zufällig, und alles mitangehört. Besuch haben sie selten, ab und zu schaut mal einer herein, und die Hippies holen sich beim Rüdiger das Stroh für die Klepper. Eine Frau hat er nicht, der Rüdiger. Dabei sind sie beide noch recht jung, die Geschwister Stamer. Und vermögend ist er auch, der Rüdiger mit seiner modernen Viehzucht. Aber wer will denn schon einen Mann ohne Haare am Leib und einer Verrückten im Haus.
Da stehen die Chancen schlecht, da fährt er am Wochenende lieber gleich regelmäßig über die Grenze nach Tschechien.


Abgeblitzt

Da ist die Maria, die Tochter vom Schankwirt. Am Wochenende hängt sie mit der Resi immer im Star herum. Und nur Burschen hat die im Kopf. Die halbe Oberpfalz ist schon einmal rübergerutscht. Sogar zu mehreren sollen sie die Maria schon genommen haben. Man munkelt, sie hätt' noch nicht einmal zum Stamer Rüdiger nein gesagt. Nur bei den Buben von den Hippies, da hat's bis jetzt kein Glück gehabt.
Wo doch grad' die Hippies immer so für freie Liebe sind!


Gute Partie

Da sind die Krätzerbauern, deren Hof der größte im Umland ist. Reich sind sie immer schon gewesen, die Bauern am Krätzerhof. Dazu hat der Krätzer noch die Jagdpacht im Neunburger Wald gehabt. Und die Rosa, die ist dem Franz auch eine gute Partie gewesen. Nur mit dem Nachwuchs, da hat das Paar bis jetzt kein Glück gehabt. Erst kam jahrelang gar kein Kind, so dass die Leute im Dorf schon angefangen haben zu tuscheln. Und dann endlich der langersehnte Stammhalter, ein strammer Bub von neun Pfund. Ja, aber mit dem Nachwuchs, da haben die Krätzer bis jetzt kein Glück gehabt. Gestorben ist er, der kleine Maxerl, schon nach drei Wochen. Die können einem schon leid tun, die Krätzerbauern.
Was musste die Krätzerbäuerin dem Jungen aber auch Erbsensuppe füttern!


In flagranti

Da war der Lumpi, der Hund von dieser Hippiefamilie. Der war immer im Ort unterwegs, um dort alle Hündinnen zu begatten. Manchmal ist er tagelang nicht heimgekommen. Ein richtiger Streuner war der. Was haben die Leute nicht geschimpft über diesen Lump. Aber eines Tages, da ist er zu weit gegangen: Der Krätzer ist gerade im Wald gewesen, um nach dem rechten zu sehen, da hat er den Lumpi erwischt, wie der in seiner Geilheit ein Reh bespringt. Da hat der Krätzer den Lumpi mit seiner Flinte vom Reh geschossen.
Hätten sie ihn doch anbinden sollen, die Hippies.


Karriere

Da war die Maria, die Tochter vom Schankwirt. Die ist als Einzige aus der Oberpfalz herausgekommen. In München wohnt sie jetzt, in einem Appartement. Ihre Eltern, die besuchen sie dort nicht, die Stadt ist ihnen zu gefährlich mit der Tram und den vielen Autos. Und die Maria, die arbeitet so hart, die hat auch kaum Zeit, noch einmal im Wirtshaus reinzuschauen. Karriere hat sie gemacht, als Fotomodell. Jetzt ist sie immer braungebrannt, vom Solarium. Und zum Friseur geht sie auch ganz oft. Stolz sind sie, die Eltern, dass die Tochter so hübsch und erfolgreich ist. Ist nur so, dass sie von der neuen Technik nichts verstehen. So ein Internet, das kommt dem Schankwirt nicht ins Haus.
Ist vielleicht ein Glück, sonst würd' er sich noch erschrecken, wenn er die Fotos von der Maria sehen könnte.


Aufruf

Da ist der Josef, der Sohn vom Bauer Biasl, der leider früh verstorben ist. Der Junge führt jetzt den Hof mit der Mutter. Sogar in die Schule ist er mit dem Traktor gefahren. Von Junge kann dann auch im Grunde keine Rede mehr sein. Ein fescher Bursche ist er geworden, dem Biasl sein Josef. Und dann am Samstag im Star. Jedes Wochenende sind sie hier, die Burschen, alle miteinander. Dann trinken's ordentlich einen, da fließt das Weißbier in Strömen. Dann wird Stimmung gemacht am Thresen. Da werden die Madeln begrapscht, denn wozu gehen die auch sonst so halbnackert! Und dann wird ordentlich mitgegrölt, wenn der neueste Hit läuft, denn da wissen die Madeln, dass man immer auf dem letzten Stand ist. Grad will der Josef der Resi einen ausgeben, da kommt die Durchsage vom DJ. Ob der Josef Biasl da sei? Dem Josef hupft schon das Herz, weil er glaubt die Resi hätt' das eingefädelt. Und er wartet auf ihren Liebesschwur durch den DJ, es schwellt ihm die Brust, stolz schaut er zu den Burschen. Das ganze Star soll hören, wie die Resi ihn will.
„Wenn der Josef Biasl hier ist“, dröhnt die Stimme des DJ durch den Saal, „seine Mutter hat angerufen – er soll heimkommen, die Kuh kalbt!“

Rebecca Maria Salentin      24.06.2006

Rebecca Salentin
Prosa
Interview