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Der Hund ist tot.
Der, der den Hund begraben hat, der hat vergessen, wo er liegt. Der hat kein Kreuz gemacht und keine Kerbe. Der hat von Breitengraden keine Ahnung und weiß nicht mal, in welcher Gegend. Ob er den Hund in halbgefrorner Erde, in abgesacktem Sand, in Torf, in Lehm. Er weiß es nicht.
Jetzt suchen alle nach der Leiche. Mit Wünschelruten, Satelliten, Schäfer­hunden. Mit Archäo­logen, Patho­logen, Kopf­geld­jägern, Agenten, Agenturen und Experten. Mit Boden­truppen und mit Religion.
Der, der den Hund begraben hat, der hat den Hund nicht mal gekannt. Er hat ihn bloß gefunden. Der, der den Hund begraben hat, der fürchtet sich vor Hunden, selbst vor toten. Er hat so tief gegraben, wie er konnte. Ob er vor Jahren, Tagen, vor Jahrzehnten. Er weiß es nicht. Er weiß auch nichts vom Leichengift.
Weil niemand wirklich weiß, wo er begraben liegt, gibt es an jeder Ecke Hundegräber, und jeder hält ein andres Grab für das verbürgte. Sie weinen Tränen über Maulwurfshügel, sie klagen, schreien, werfen Blumen, sich zu Boden, einander vor, am falschen Grab zu stehn und sagen: Das Grab ist leer.
Der, der den Hund begraben hat, der leidet lang schon unter Amnesie. Seit er am Grab des ungekannten Hundes stand. Er weiß nicht, wer er ist noch was er wollte. Er wird von niemandem erkannt. Er ist mit niemandem verwandt. Doch jeder fragt ihn nach dem Weg. Er weiß ihn nicht.

 

Ulrike Ulrich       21.09.2009       

 

 
Ulrike Ulrich
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