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Yulia Marfutova
Auf dem Dach
Der Ton in meinem Ohr, der immer da ist, wird überlagert vom Schreien der Nachbarn in der Wohnung unter mir und dann vom Schreien ihres Babys. Es ist ein Kanon ver­schie­denster Ton­lagen und -stärken, und ich ent­fliehe aufs Dach; dafür wohne ich schließ­lich im Dach­geschoss. Ich steige durch das Fenster, es ist nicht kompli­ziert, und setze mich auf meinen Lieb­lings­ziegel, der nur deshalb mein Lieb­lings­ziegel ist, weil ich immer auf ihm sitze; ich weiß auch nicht, warum.
  Der Abend umschließt mich. Er duftet nach Regen; ich weiß nicht, ob nach vergan­genem oder noch kommen­dem. Ich rieche an ihm. Hier auf dem Dach ist nichts außer dem Abend, seinem Duft und dem Ton in meinem Ohr, einzeln, beharr­lich, hoch. Ich lausche in den Abend und in mein Ohr hinein. Mein Ohr, das sich nicht be­handeln lässt, weil ich es nicht behan­deln lassen will. Ich habe mein Ohr gern, wie es ist. Es leistet mir Gesell­schaft.
  Peter setzt sich neben mich und auf seinen Lieblingsziegel. Auch er weiß nicht, warum sein Lieb­lings­ziegel sein Lieb­lings­ziegel ist, er sitzt halt immer dort und dort ist zufällig genau neben mir und genau dann, wenn ich dort bin, hier, jetzt. Jeden Anderen hätte ich vermut­lich um eine Erklärung für ein solches Ver­halten gebeten, nach Möglich­keit um eine gute, aber bei Peter ist das anders. Peter existiert nicht.
  Man muss nicht verrückt sein, um neben einem nicht existierenden Mann auf dem Dach zu sitzen. Nur einsam. Ich finde, ich muss mich für Peter nicht recht­fertigen, nicht ent­schul­digen. Peter ist da. Punkt. Ich weiß: Es kommt der Punkt, ein anderer Punkt als der, den ich eben er­wähnte, es kommt dieser Punkt, an dem Peter nicht mehr da sein wird. Er wird sich auf­lösen oder einfach gehen, einfach so. Um das zu wissen, muss man nicht Literatur­wissen­schaft studieren. Ich weiß nicht, wann der­artiges Peter und mir wider­fahren wird. Ich habe recht früh begonnen, manchmal darüber nach­zu­denken, seit dem Abend, an dem ich das erste Mal neben Peter saß. Ich wusste sofort, dass er nicht existiert. Und ich hoffte sofort und sehr inständig, dass er für immer bei mir bleiben kann. Könnte.
  Aber noch ist Peter da, hier, und das ist schön. Er betrachtet seine Schuhspitzen, als wären sie etwas beson­ders Interes­santes, und für einen Moment un­bestimm­barer Länge betrachte auch ich seine Schuh­spitzen, als wären Sie etwas besonders Interes­santes. Peter, immer noch seine Schuh­spitzen betrachtend, sagt: Du bist zu ver­kopft. Peter, nicht mehr seine Schuh­spitzen betrachtend: Wie oft soll ich dir das eigent­lich noch sagen? Peter, sage ich zu Peter, wenn ich nicht zu verkopft wäre, wärst du nicht hier. Peter, sage ich, sei dankbar. Für die Kopfgeburt und das Dach. Peter äußert sich nicht dazu. Er schaut die Stille an, be­trachtet sie wie ein Still­leben, weil die Stille bei ihm lebt. Er hört in sein Ohr und tief in es hinein. Es ist unsere große Gemein­samkeit, unser großes Geheimnis, intim und schön. Sein linkes Ohr. Mein rech­tes Ohr. Töne, die kein Anderer je hören wird, auch der Ohrenarzt nicht. Wir machen ein Konzert aus unseren Tönen, ein Konzert, grundiert von der ruhigen Abend­luft, die zur Nachtluft wird und unsere Ohren sanft streift. Peter, sage ich, weil Peter heute nicht sehr ge­sprächig ist, Peter, lass uns lange musizieren. Gut, sagt Peter. Wir lauschen andächtig der Har­monie der Ohrtöne in schwindel­erre­gender Höhe, der Ohr­geburten, die kein so hässliches Wort wie Tinnitus verdienen. Wir be­nutzen nie dieses Wort, das so sehr nach Arzt klingt, dass man meinen könnte, die Töne, unser schönes Nacht­konzert, könnten objek­tive, mit den Mitteln und Termini der Medizin diagnos­tizier­bare Ursachen haben. Das wäre nicht schön, sagte Peter einmal. Peter, der Ästhet. Peter, der Alles­wisser und Alles­sager. Peter, die Phantas­magorie.
  Seit Peter da ist, bin ich Ohrkünstlerin in einem Ohr-Orchester. Ich weiß nicht, ob wir gängigen Definitionen eines Orches­ters entsprechen. Peter, der gängige Definitionen nicht ausstehen kann, sagt: Das ist nicht so wichtig. Es gibt nichts, das Peter weniger aus­stehen kann, als gängige Definitionen. Wenn ich ihn danach frage, sagt er immer: Lass uns lieber proben. Und dann proben wir lieber. Das macht auch mehr Spaß.
  Peter heißt Peter, weil mir noch nie ein Peter begegnet ist, den ich nicht mochte. Ich kenne genau drei Peter. Mein Lieb­lings­lehrer hieß Peter. Er unter­richtete Deutsch und hielt mich für so etwas wie begabt. Er war der einzige Lehrer, der etwas von mir und auch noch auf mich hielt. Peter hieß auch mein erster Freund. Wir waren lange ein Paar, er brachte mir das Rauchen und das Küssen bei und als er zum Studieren nach Amerika flog, weinte ich lange und lange laut. Der dritte Peter ist Ohrmusikant und sitzt nicht gene­rell auf Dächern im Plural, nur auf meinem Dach, und hat sehr saubere Schuh­spitzen.
  Ich war nicht überrascht, als Peter das erste Mal neben mir saß. Peter war sehr höflich. Sie erlauben doch?, sagte er und lüftete seinen Hut. Ich erlaubte. Später erzählte er mir, dass er den Hut nur für diese Gelegen­heit gekauft habe. Ich spürte, dass er absolut schwindelfrei war. Er pfiff vor sich hin. Immer nur einen und einen gleich­bleibenden Ton. Er setzte mehrmals an. Er schien nicht zufrieden. Später erzählte er, dass er für mich gepfif­fen habe. Damit ich fragen konnte: Was pfeifen Sie denn? (Damals siezte ich ihn noch.) Und damit er mir dann von seinem Ton erzählen konnte, den er nicht pfeifen kann, weil es unmöglich ist. Weil dieser Ton nur in seinem Ohr existieren kann. Dann fragte er mich nach meinem Ton, als sei es das Natürlichste auf der Welt, nach den Tönen seiner Mit­menschen zu fragen, und ich beschrieb ihm bereitwillig, was nicht zu be­schreiben war, weil es keine Adjektive gibt für meinen oder einen anderen Ton. Er nickte, weil er verstand, was nicht zu verstehen war. Dann sagte er: Lass uns gemeinsam Musik machen. Daraufhin nickte ich. Das war unsere erste Begegnung.
  Wenn man mit Peter zusammen ist, ist es nicht nötig, Gespräche in den Raum zu stellen, deren einziger Sinn es ist, den Raum auszufüllen, insbesondere den zwischen den Gesprächs­partnern. Mit Peter ist es genug, wenn man zu­sammen Schall­wellen vibrieren lässt, tief innen. Mit Peter ist es genug, wenn man da ist, wenn man atmet, auf seinen Atem horcht und die Atem­geräusche in das Orchester aufnimmt. Mit Peter ist es genug, wenn man auf die Abend- oder Nachtluft hört und auch diese in das Orchester aufnimmt. Wenn man dann, wenn einem danach ist, auch die Geräusche, die die Luft zuträgt, aufnimmt, nicht alle, ausge­wählte. Und wenn man dann dem Konzert lauscht und leise lächelt dabei, und Angst hat, das Lächeln könnte zu laut sein und das Konzert stören. Aber das passiert nie, das Lächeln passt sich ein in den Takt, der Herzschlag auch, der sehr laut werden kann, der pochern oder puckern kann, glücklicher­weise immer im richtigen Rhyth­mus. Darin hüllen wir uns ein und sind gemeinsam unerreichbar.
  Peter, sagte ich einmal zu Peter. Peter, sagte ich, weil ich gerne Peter sage, weil ich diesen Namen so mag. Peter, sagte ich, du hast ja gar keinen Propeller. Und dick bist du auch nicht. Sei bitte nicht kindisch, sagte da Peter. So einer bin ich nicht. Und was für einer bist du?, fragte ich, aber ich wusste, dass Peter nicht auf rhetorische Fragen ant­wortete, aus Prinzip. Dann stellte Peter eine rhetorische Frage, auf die ich ant­wortete, weil ich nicht sein Prinzip habe, jeden­falls nicht prinzi­piell. Die Frage: Warum eigent­lich das Dach? Die Antwort: Selbstironie. Oder eher: ein Kalauer. Sich selbst aufs Dach steigen, sich eins aufs Dach geben, indem man sich aufs Dach begibt, weil es unterm Dach nicht ganz richtig ist, Dach­schaden. Na, meinte Peter, das ist unter deinem Niveau, und überhaupt, ich sehe keinen Schaden. Er schaute sich um, betas­tete den Ziegel unter sich, seinen Lieblingsziegel, war sichtlich zufrieden damit und sagte: Lass uns Musik machen, bevor du von Tassen und Schränken anfängst. Ich sagte: In meiner Wohnung, in der du noch nie warst, stehen Tassen in Schränken, aber ich zähle sie nicht. Peter sagte wieder: Lass uns Musik machen. Er sagte es nach­drücklicher. Und wir machten Musik.
  Heute musizieren wir lange. Weil wir nicht müde werden, tönt es lange in uns. Nach irgendeiner Zeit sagt Peter: Lass uns losziehen! Nicht immer nur auf dem Dach hocken. Komm. Jetzt!
  Also ziehen wir los. Wir steigen vom Dach, lassen die Nachbarn weiter­schreien und gehen Straßen entlang. Wir brauchen keinen Plan und keinen Proviant, wir haben unsere Ohren und uns, das genügt. Es ist Nacht und wir begegnen nur wenigen Autos. Die ersten drei Autos, die an uns vorüber­fahren, zwei schnell, eines langsam, bauen wir in unser Konzert ein, denn auch beim Losziehen und Umherziehen spielen wir in unseren Ohren. Wir sind nicht vom Dach gestiegen, weil uns das langweilig geworden wäre. In das vierte Auto steigen wir. Ich hatte meinen Arm aus­gestreckt, der vom Fahrer gesehen wurde. Peter konnte seinen Arm nicht ausstrecken, weil er nicht existiert. Peter kann dem Fahrer auch nicht ant­worten, als der nach dem Ziel fragt. Das muss ich machen. Ich sage: Egal. Der Fahrer sagt: Gut. Denn nach Egal fährt er.
  Der Fahrer hat verschnörkelte Täto­wierungen am Oberarm und Schweiß unter den Achseln. Er hat zwei graue Haare im Bart und summt eine Melodie, die Peter und ich nicht kennen, die aber nicht ganz richtig sein kann. Das Auto klingt nach mittelviel PS und tuckert ab und zu. Der Fahrer sagt: Das soll so sein. Aber bevor er das sagt, und bevor ich nach dem Tuckern frage, fragt mich der Fahrer: Bist du oft allein unter­wegs? Der Fahrer duzt mich und ich beschließe, auch zu duzen. Ich sage: Nein. Aber ich bin nicht allein. Ich reise mit Peter, der nicht existiert, und unseren Ohren. Und du? Reist du oft allein? Der Fahrer sagt: Hm. Er bereut sichtlich, mich und Peter und mein Ohr und Peters Ohr mit­genommen zu haben. Plötzlich fühlt sich das Auto ganz klein an bei so vielen Pas­sagieren. Aber dem Auto ist das egal. Es tuckert unbekümmert vor sich hin.
  Lass uns ein Konzert machen, sagt Peter, wir alle zusammen. Und ich übersetze: Peter hat Lust auf ein Konzert. Kannst du auch mit deinem Ohr Musik machen?, frage ich, als sei es das Natürlichste auf der Welt, den Fahrer danach zu fragen; wir könnten ein Konzert machen, sage ich, dafür braucht man kein Publikum. Nur uns. Der Fahrer sieht aus, als würde er noch mehr bereuen, mich und Peter und mein Ohr und Peters Ohr mitgenommen zu haben. Wir fangen dann mal an, sage ich, und Peter und ich spielen sanfte Zweiklänge in das Auto hinein, bis es ganz voll ist und sich noch kleiner anfühlt und das Ohr des Fahrers einen neuen Akkord mit ihnen bildet. Aber der Fahrer weiß nicht, dass er in den Akkord eingestimmt hat.
  Ich sage: Du hast da graue Haare im Bart. Soll ich sie dir auszupfen? Der Fahrer will das nicht. Er sagt: Endstation. Er hält an und öffnet die Tür, ganz weit. Peter und ich und unsere Ohren steigen aus, denn hier ist Egal. Der Fahrer fährt weiter. Am Ende hatte er nicht nur unter den Achseln Schweiß.
  Langsam dämmert der Morgen. In Egal gibt es viel Wiese und wenig Häuser. Peter und ich und unsere Ohren sind nicht müde. Weil das so ist, setzen wir uns auf die Wiese und machen Musik. Merkst du was?, fragt Peter. Wir sitzen immer. Auf dem Dach. Im Auto. Auf der Wiese.
  Um dynamischer umherzuziehen als im Sitzen, gehen wir zu den Häusern. Gehen ist dynamisch. Wir sind jetzt Straßenmusikanten, weil es in Egal keine U-Bahn gibt, um U-Bahn-Musi­kanten zu sein. Wir spielen alle Melodien, die man mit zwei gleich­bleibenden Ohr­tönen spielen kann, und wir machen das gut. Wir brauchen kein Geld, aber weil es sich so gehört, stellen wir einen Pappbecher neben uns. Um dynamisch zu sein, bewegen wir Ge­sichts- und Arm­muskeln. Wir nehmen kein Geld ein. Und wir nehmen den Poli­zisten, der nach einer Zeit auf uns aufmerksam wird, nicht für uns ein.
  In der Stadt Egal, die nicht mehr den Namen Stadt tragen dürfte, sollte einer ihrer Einwohner sterben oder wegziehen, wird auf Ordnung geachtet. Und wenn diese mal gestört wird, gibt es Ordnungs­hüter zum Behüten und Verhüten. Es entspricht nicht der Ord­nung zu betteln. Sie müssen den Papp­becher entfernen, sagt deshalb der Polizist. Aber, sage ich, weil Peter vom Poli­zisten nicht gehört werden kann, aber, sage ich, der Becher ist nur zur Dekoration. Der Polizist versteht nichts von Dekoration. Er sagt: Leere Pappbecher dürfen nicht auf der Straße stehen. Sie gehören in die Papier­müll­tonne. Sagt er und sieht so aus, als hätte er noch nie Ohr­musik gemacht. Ihren Per­sonal­ausweis bitte, sagt der Polizist und guckt wie ein Polizist. Sie sind ein richtiger Polizist, sage ich. Sind Sie das immer oder nur, wenn Sie Uniform tragen? Der Polizist bittet mich höflich, aber bestimmt, nicht mehr die öffentliche Ordnung zu stören, mich auszuweisen und den Pappbecher korrekt zu entsorgen.
  Ich gehe mit Peter in eine andere Stadt. In eine Stadt, in der es weniger Wiese und mehr Häuser gibt. Und weniger Ordnung. Wir kaufen einen Coffee to go, um einen neuen Papp­becher zu haben. Ich trinke den Becher bis auf den letzten Tropfen aus und trockne ihn dann von innen mit dem Ärmel. Der Ärmel färbt sich kaffee­farben, aber der Becher ist trocken. Wir stellen den Becher neben uns und machen beim Ohr­tönen dynamische Bewe­gungen oder Halten den Becher abwechselnd in der Hand beim dyna­mischen Gehen.
  Einmal frage ich: Fehlt dir etwas? Wie meinst du das?, fragt Peter. Naja. Eben so. Ob dir etwas fehlt. Ach, sagt Peter. Es ist nicht schlimm, nicht zu exis­tieren. Nicht so schlimm, wie man es sich gemein­hin vorstellt. Ich weiß nicht, wie man es sich gemeinhin vorstellt. Aber dieses Gemeinhin muss schlimm sein und ich bin froh, dass Peter nicht gemein­hin ist. Ich sage: Peter, ich bin so froh, dass du nicht gemeinhin sein musst. Peter. Und Peter sagt: Ich passe schon auf, dass auch du nicht gemein­hin wirst. Ich passe auf dich auf. Sagt er und nimmt meine Hand. Es ist das erste Mal, dass sich unsere Hände berühren. Peters Hand ist groß und warm und hält meine ganz fest, so fest, dass ich an seine gemein­hinab­wehrende Wirkung glaube.
  Bisher war Peters Aussehen neben­sächlich. Aber jetzt, da meine Hand in seiner Hand ver­schwindet, wird sein Aus­sehen haupt­sächlich. Ich schaue Peter an und sehe: Struppelige Haare. Gütige Augen in grüngraublau. Weiche Kanten. Und ein Mund, der aussieht, als wüsste er, wie man küsst. Peter hat kein Alter, aber was hatte ich denn erwartet.
  Peter weiß tatsächlich genau, wie man küssen muss. Aber das erfahre ich erst später. Später ist sehr bald. Aber erst frage ich: Was ist eigentlich dyna­misch? Und Peter, der Defini­tionen nicht aus­stehen kann und lieber auf seine Schuh­spitzen guckt, guckt auf seine Schuh­spitzen und zuckt mit den Schul­tern. Lass uns, sagt Peter, der noch immer meine Hand hält, lass uns nach da gehen. Nach da ist, wo die Nase den Horizont anstupst. Gut, sage ich.
  Da, wo die Nase den Horizont anstupst, ist ein Dach. Es ist nicht besonders dynamisch, auf einem Dach zu sitzen, aber wir sind lang­sam müde vom Dy­namisch­sein­wollen. Auf dem Dach sehen Peters Haare be­sonders struppelig aus und sein Ohr tönt beson­ders klar. Auf dem Dach küsst Peter mich und ich küsse zurück. Auf dem Dach be­schließen wir, dass das Dach schön ist. Und dass es in unseren Ohren dyna­misch genug ist. Jedes andere Dynamisch finden wir gemeinhin. Peter, sage ich. Peter. Peter. Peter. Dann nimmt er meine Hand und wir stimmen einen Zweiklang an. Und Peter sagt, dass er es gemein­hin fände, sich irgend­wann auf­zulösen oder zu gehen.
Yulia Marfutova    05.04.2013    

 

 
Yulia Marfutova
Prosa