Stele [griech.] Pfeiler, Säule als Grab- oder Gedenkstein
Die Stelen sind der Anfang einer Sammlung kleiner literarischer Gedenksteine in Form eines Gedichtes jüngst verstorbener Dichter, überwiegend fremdsprachiger, aber auch deutschsprachiger. Ausgangspunkt sind unter anderem aktuelle Todesmeldungen in den poetry news. Idee und Konzept: Hans Thill.
(Al Djedida 1938 – Rabat 2009)
Gewidmet dem kommenden Jahr
Vergehen die Jahre.
Ein Geheimnis kommt zur Welt
In der Klarheit eines Gesichts.
Von welchem Zeichen
Bist du das Wappen?
Von welchem Brautempfang
Zur Gastfreundschaft der Eingetroffenen?
Heißt du mich willkommen
Am Morgen deiner Erinnerung?
In der Morgenröte ihrer Formen?
Ihr feinen Geister
Blättert um
Und bergt die Seiten
Unterm Schleier der Hände
Jedes Wort ein Ritual
Im eigenen Goldrahmen
Gleich einem Fresko das
Die Geste des Malers wiederholt
Im Flug zu erhaschen
Jeden beflügelten Gedanken
In seiner kursiven Kalligraphie
Ihn ausrichten an diesem Horizont
Dieser vertrauten Landschaft
Poliert vom Regenbogen:
Die Geste des Strichs
Souverän das Geheimnis
In seinem Maß
Und ohne Zwang des Unsagbaren
Aus: Dédicace à l´Anée qui vient, Fata Morgana 1986. Übersetzung von Hans Thill.
»Müsste man einen Begriff für den eben verstorbenen Abdelkébir Khatibi finden, so wäre das: der globale Intellektuelle. Er, der die Grenzen mit Leichtigkeit überschritt, hat auf Definitionen verzichtet wie: Romancier, Kritiker, Soziologe. Überdies war eine intellektuelle Arbeit in Marokko, dem Maghreb und der Arabischen Welt ohne entschieden interdisziplinäre Haltung undenkbar.« (Yasin Temlali)
Abdelkébir Khatibi wurde am 11. Februar 1938 in der marokkanischen Aljadida geboren und starb am 16. März 2009 in Rabat. Er studierte Soziologie an der Sorbonne in Frankreich und verfasste die erste Doktorarbeit über den maghrebinischen Roman. Abdelkebir Khatibi gehörte zu den maghrebinischen Schriftstellern, die auf französisch schrieben. Als Lyriker, Romanautor und Soziologie verfasste er mehr als 25 Werke.
20.02.2011