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Auf Verdacht

Wenn ich eines hasse, dann ist es dieses
geistige Ansichtskartenschreiben schon während
etwas stattfindet. Sich bereits ins Protokoll ergießen,
während es sich noch ergießt. Diese Wirklichkeitsepigonen,
und man selbst ist immer der Schlimmste von allen.

Natürlich, wir können das machen,
wir können in diesen schmalen Stunden,
bevor ein weiterer Tag sich aus dem havarierten Horizont
stemmt, ein letztes Mal Illusionen Posto fassen lassen,
um der guten alten Zeiten willen, die es nie gegeben hat,
und unsere Gärten der Nacht mit Flugsamen beschießen,
warum nicht? So ziemlich alles müsste besser
sein als dieses sykophantische Wegdämmern.

Wir werden da sitzen und du wirst
mich ansehen, entwaffnend,
so offen und ehrlich,
so frei und frank,
Gefühle werden an uns kleben wie
die Pisse des Adels an den Wänden von Versailles,
dein Kinngrübchen wird aussehen als sei es auf
dem Weg nach ganz woanders
nur zufällig aus dem Hals gestolpert
und in deinen Augen
wird eine Ferne liegen, ungreifbar, geheimnisvoll,
zu nah um mir nicht nahe zu gehen,
aber es wird nicht die Sehnsucht nach dieser
Ferne sein sondern nur der Wunsch,
von dort wieder zurückzukommen
um davon erzählen zu können
und das ist im Grunde schlimmer als
gar nicht erst zu gehen, denke ich,
spreche es aber nicht aus sondern
nicke
nicke
und lächle und höre zu und schenke nach und
lege nach und pinkle in Ermangelung der Wände von
Versailles den WC-Stein an und komme wieder und setze
mich und halte die Klappe.

Du sagst, in meinem Traum von einer Welt
gibt es keine Krankheit.

Ich denke, in meinem gibt es eine Gummitrommel
und einen Plastikhammer, für die Besoffenen im
Orchester.

Bleiben wir doch einfach Freunde, und so.


Johannes Witek
Prosa
Lyrik