Frankfurt/Main (dpa, stern 21.6.) Marcel Reich-Ranicki hat das aus seiner Ansicht gestörte Verhältnis zur offenen Kritik beklagt. Ein mutiger Kritiker müsse damit rechnen, dass er von Verlagen und Autoren geschnitten werde, sagte Reich-Ranicki dem Magazin
Stern in einem Interview. „Der junge, noch nicht etablierte Kritiker, der ehrlich schreibt, dass er diesen neuen Roman für total missraten hält, riskiert sehr viel.“
Zudem werde in den deutschen Feuilletons nicht mehr genug auf die Qualität der Texte geachtet. „Jetzt gibt es leitende Redakteure, die sich überhaupt nicht mehr um die Arbeit ihrer Leute kümmern“, kritisierte Reich-Ranicki, der einst Literaturchef der
Frankfurter Allgemeinen Zeitung war. Damals habe er „die Artikel aufmerksam gelesen und redigiert, immer mit dem Ziel, ein deutliches Urteil herauszuarbeiten.“ Das werde „heute kaum noch gemacht“.
Stern-Interview mit Reich-Ranicki