POETENLADEN - neue Literatur im Netz - Home
 
 
 
 
 
 
 
POETEN - zu den Autoren und ihren BeiträgenLOSLESEN - Präsentation, Debüt, Kolumne, ZettelkastenGEGENLESEN - Essay, Kritik, Dichter über DichterBücher von Autoren im Poetenladen

News 240
Newsarchiv  |  Poetische News  |  Poetenladen
Leipziger Literaturszene – tot oder lebendig? 6.08.2007
Juli Zeh | Schilf
Juli Zeh
Schilf
Schöffling 2007
Juli Zeh hat keine Lust mehr auf Leipzig und geht in die Provinz.

Leipzig ist literarisch längst tot

Die Autorin Juli Zeh verlässt Leipzig und zieht in die brandenburgische Provinz. „Leipzig ist literarisch längst tot“, sagte die 33-Jährige der Leipziger Volkszeitung.

Die Buchmesse markiere „einmal im Jahr ein isoliertes Großereignis, das übers Jahr immer wieder einschläft“. Wer Kontakt zu Kollegen suche, eine lebendige Szene will, sei hier falsch, erklärte die in Bonn geborene Juristin, die seit zehn Jahren in Leipzig lebt und arbeitet.

Das sei früher anders gewesen: „Es gab in den 90ern, in den Jahren des kreativen Aufbruchs, Lesungen an allen möglichen und unmöglichen Orten. Da haben Leute selbst angepackt und ein Programm auf die Beine gestellt. Heute warten sie auf institutionelle Förderung.“

Am 12. August erscheint im Schöffling-Verlag der dritte Roman von Juli Zeh. Er heißt Schilf und ist ein Krimi. Zeh: „Das war einfach mal dran.“ Das vollständigen Interview druckte die Leipziger Volkszeitung am 3. August 2007 ab.

LVZ | Ankündigung des Juli-Zeh-Interviews  externer Link

So erregt Juli Zeh mit ihrer Sicht aufs literarische Leipzig etwas Aufmerksamkeit. Das gehört heutzutage zum Geschäft des Literaten dazu, und eigentlich nimmt niemand so etwas ernst. Bis auf einige Leipziger, die nun eine Gegenposition als offenen Brief formulieren:

Leipziger Literatur lebt!

Liebe Juli. Zu deinem Interview in der LVZ vom 03.08. 2007 möchte ich sagen: so nicht, werte Kollegin. Recherchieren gehört zu unserem Handwerk.

Leipzig lebt, und zwar wie nie zuvor. Seit ich vor zwei Jahren begonnen habe, Kultur- und Literaturveranstaltungen zu organisieren, sind ähnliche Konzepte an allen Ecken der Stadt von Reudnitz über Stötteritz, von Plagwitz bis Lindenau wie Pilze im brandenburgischen Wald aus dem Boden geschossen.

Wer die Stadtmagazine beobachtet hat, wird dies nicht übersehen haben. Im Netz bilden sich Foren und Seiten, auf denen man sich ausführlich über die Literaturszene der Stadt und seiner Umgebung informieren kann und allein auf Radio Blau gibt es drei Literatursendungen.

Meine Erkenntnis ist, dass wer in Leipzig Lesungen sucht, pro Monat mindestens zehn Möglichkeiten dazu findet und da denke ich nur an solche Veranstaltungen, die ohne Subventionen arbeiten. Ich selbst subventioniere durch einen 40-Stunden-Job drei Veranstaltungsreihen an wechselnden Orten und ich bin in diversen Vereinen darum bemüht, den literarischen Zustand der Stadt weiter voran zu treiben. Ich weiß von Städten im Land, in denen gar nichts gehen soll und mittlerweile gehört Halle z.B. nicht mehr dazu.

Berlin, liebe Juli, hat sicher viel Kultur zu bieten und dort haben sich ein paar Dutzend Lesebühnen etabliert, die aber damit ihr Brot verdienen möchten und da sind wir schon beim tatsächlichen Problem Leipzigs. Es gibt zu viel und zu viel Gutes umsonst oder für geringen Eintritt, der meistens nur für das Drucken von Flyern oder das Fahrgeld für die Künstler ausreicht. Damit können die Leipziger Veranstalter nicht die Gageforderungen einiger Künstler decken.

Wenn es dir darum geht, zu lesen und dich zu präsentieren, biete ich dir an, mich für dich um Auftritte an möglichen und unmöglichen Leseorten zu kümmern. Diese meine Stadt ist nicht kreativ ausgeblutet, sondern sie blutet vom Kampf für Kultur, Literatur, Musik und Kunst. Von Kämpfen, Räume zu erschaffen, in denen sich Leute ausdrücken können, oder die sie aufsuchen, um zu hören, zu sehen und zu empfinden. Juli, unsere Stadt brodelt vor Energie und ich glaube, aus den Gesprächen mit meinen Mitstreitern zu erfahren, dass wir am Anfang stehen. Einige Aufbrecher der 90er Jahre sind müde geworden. Zum Glück gibt es immer noch welche, die diese Lücken wieder auffüllen.

Leipzig lebt und das nicht nur in den Szene-Gässchen und Zappeltempeln. Die Menschen in dieser Stadt sind unheimlich spannend, spontan und kreativ, wenn es darum geht, etwas neues zu machen. Ich glaube, darum geht es hier vielen - das Machen, das Bewegen, das Verändern. Nur die wenigsten denken daran, damit das große Geld zu machen. Ich habe Respekt vor denen, die ihre Kreativität zum Beruf gemacht haben, und weiß auch, dass Künstler wohnen und essen müssen. Und ich weiß, dass es manchmal ohne Subventionen nicht geht. Aber ich habe in den letzten zwei Jahren regelmäßig Veranstaltungen gemacht und noch keine Subventionen bekommen oder genommen. Und es geht trotzdem weiter.

Es heißt, wer sucht, der findet. In Leipzig hat das seine Gültigkeit nicht verloren. Wer etwas auf die Beine stellen will, findet bei uns eine Bühne. Wer in Leipzig nach Literatur sucht, der wird sie auch finden.

Zu deinem neuen Roman gratulier ich. Da ich deine vorherigen Arbeiten schätze, bin ich sicher, auch an diesem Buch gefallen zu finden.

Aber, liebe Juli, dein Interview hat mich persönlich getroffen.
Unser Angebot steht. Komm her und mach etwas mit uns. Oder höre hin, sieh zu, wenn in dieser Stadt etwas gesagt oder bewegt wird.

Hauke von Grimm

Newsarchiv  |  Poetische News  |  Poetenladen