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Der Prozess geht weiter
Über Christian Saalberg

Ein Mann setzt seinen Weg fort,
in den Augen Worte, Worte, Worte

(Christian Saalberg)
Ausschnitt | Schreibmaschine Hermes-Baby, Christian SaalbergAm 24. Mai 2006 schrieb mir Christian Saalberg in einem letzten Brief: »Ich plane (auf sehr weite Sicht!) einen neuen Gedichtband Der Prozeß geht weiter.« Am Abend schlug er seiner Frau vor, am nächsten Tag einen ihrer Ausflüge zu machen. Dabei nahm er sich immer einen Klappstuhl mit und ließ sich an ausgesuchten Stellen nieder, um zu schreiben, zu lesen oder sich an der Natur zu freuen. Doch er hat einen anderen Weg genommen. Und hat es in seinen Gedichten beschrieben:
»Nie wird es gelingen, eine Geschichte bis ans / Ende zu erzählen. // Immer tritt einer ins Zimmer und schon macht / sich das Leben auf, in der Hand eine / Fahrkarte aus Stein.«
Es gibt Menschen wie Saalberg, die sich unsichtbar machen. Und trotzdem nicht verschwinden. Nicht aus den Augen, aus dem Herzen jener, die ihm nahe stehen und nicht aus den Worten der anderen, die in seinen Gedichten ihm und sich selbst auf die Spur kommen. Möglicherweise hat er sich wieder einmal mit dem Tod auf ein Gespräch eingelassen und möglicherweise war er einen Augenblick unaufmerksam. Christian Rusche, wie er im wahren Leben heißt oder im gedichteten, ist dem Tod auf Augenhöhe begegnet. Er hat ihm seinen Schrecken genommen, ihm ein Gesicht gegeben.

Mein Tod und ich

Zuweilen sind wir eins mein Tod und ich
Wir essen dasselbe Brot
Wir trinken den Wein aus einem Glas
Wir teilen in Freundschaft die Stunden schweigen
         und lesen dasselbe Buch

Zuweilen gibt mir der Tod ein Stelldichein mein Tod
         wenn ich allein in meinen vier Wänden bin
Dann reden wir gelassen von allem was so auf Erden
         geschieht und von Mädchen die ich nicht mehr bekommen kann
Mein Tod und ich wir reden in Ruhe über alle diese Dinge

Manchmal nicht oft aber doch hin und wieder ist es
         der Tod der meine Verse dichtet und er liest sie
Mir vor der ich unbewegt bin wie ein Toter
Ich höre ihm zu ohne etwas zu sagen so wie ich
         wünsche daß der Tod mir zuhörte wenn ich läse

Zuweilen sind wir eins mein Tod und ich
Wir sind eins und ganz allmählich fällt das Laub
         aus den Zweigen
Ohne großes Aufheben teilen wir uns die Zeit
         der Tod und ich mit Anstand wenn ich es so sagen darf

Dann kehren die Dinge an ihren Platz zurück
         und jeder von uns geht erneut seine Wege

(nach Miquel Martí i Pol)

Natürlich sind diese Spiegelungen mit dem Tod nur ein Stück des Weges, den der Dichter Christian Saalberg gegangen ist. Aber es sind unglaublich sanfte und zugleich wuchtige, niemals wehleidige Texte entstanden, die ihresgleichen kaum zu finden vermögen.

In einer Zeit, in der wir unsere Illusionen und Künstlichkeiten mit Münzen bezahlen, auf deren einer Seite sich ein Jugend- und Schönheitswahn eingeprägt hat und auf der anderen schnöde Zahlen stehen und die, wenn wir sie aus der Hand geben, zwischen den Fingern wie Sand zerrinnen, der nicht einmal den Boden erreicht, sind Saalbergs Texte eng am Leben.

Wenn ich mich fallen lasse,
falle ich in

deine Arme, Tod.
Oder bin ich es, der

dich am Sterben hindert,
der dich am Leben hält?

Christian Saalbergs Dichtung wird diese Zeit überdauern und ein Dasein führen, das er augenzwinkernd verfolgt. Ganz nah bei sich. Und ich möchte dann und schon jetzt mit seiner Gedichtzeile in den Raum, in die Welt rufen: „Liebste Du wirst staunen.“

* Die Gedichte und Textstellen wurden dem Band An diesem schönen Todestag im Mai (Rimbaud Verlag, Aachen 2006) entnommen.

Zum Christian-Saalberg-Portrait
Andreas Altmann     08.05.2007

Andreas Altmann
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