bei den engeln
I.
nutzungsrecht abgelaufen zweimal
die lange allee bei den nornen
das grab nicht auffindbar
hie und da umsturzgefahr
& rote patina auf dem unlösbaren
puzzle der platanenstämme
arbeit ist leben ameisen
ein eichhörnchen nichtstun der tod
zwischen den grabreihen entlangschreitend
vollführt eine schmale gestalt
unter helmartiger mütze
mit ihren händen eine segnung
links zwei bögen
oder ein säen
rechts zwei bögen
ein grüßen
links zwei bögen
wäre vielleicht angemessen
denke ich & hebe
zögernd meine rechte hand
Göttingen 2005
II.
la fauvette totenvogel blitzt auf
einem porzellanschildchen
für immer
& hier steht keiner
wieder auf – un-er-heb-lich
die schweren marmorschwellen
eisenzäune schießen um jedes grab
ihre rostige spitzen gen himmel
plastikblumen erbleichen
vor der invasion giftresistenter schachtelhalme im kies
ein buchs verschlingt zwei zerbrochene kreuze
eine riesenzypresse vergreift sich am nächsten
& während der wind
in der eisenkette des kranzgestells schaukelt
verschläft der einzige rosenstock seinen einsatz
darunter auf rissiger grabplatte
mit kieseln ein name ausgelegt
buchstabe für buchstabe
Argeles-Gazost, Frankreich, 2006
III.
der schulweg buchstabiert sich
jeden tag an anderen namen entlang
manche laden zur rast
zum bericht
zur beichte
auf winziger bank
zwischen heidekraut und heckenbuchs
ein paar jungs blieben nach der schule hier
lachend
rempelnd
schieben sie nun die schubkarren
stellen die pumpe an
klappern mit spaten & hacken
ernten
missbilligende blicke
aus den fenstern des seniorenzentrums
Bremervörde 2007
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Jutta Over
Lyrik
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