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Nathalie Schmid – Archiv

02.04.2006

die sichere seite des hauses

eine zerbrochene lieferung vor meiner tür
jetzt ist es endgültig vorbei
das helle tropfen der tage
das südliche geschrei
niedergetrampelt das grüne mädchen im gras
strohhalme zeigen den weg jetzt weht
ein feiner marzipangeruch herüber
man muss nur warten können
und zuhören heisst auch aufnehmen
ohne es wieder auszuspeien
dem anderen vor die füsse
als wir noch glänzten füreinander
erinnerst du dich stillgelegen ohne
lieferungen ganz still im beton
in der beginnenden lichtlosigkeit
liegt alles ganz unbeweglich da ach
wir haben vergessen die himbeerstauden
zu pflanzen an der sicheren seite des
hauses nach der letzten aufbäumung
überflutet mich eine welle der akzeptanz
dann eine welle der sprachlosigkeit
wie ein fisch nur auf und zu klappend
die kiemen über die unsicherheiten
der kontinente hinweg wenig bleibt wenig
die rostigen gräser das lodernde licht
die paar tage vor heute
scheinen schon
wie früher geworden zu sein

sonnenstrasse

sagen wir wir verblassen unter
diesen schichten von häusern
mit gemalten schildern am anfang
der strasse einzelnen magnolienbäumen
und fleischroten dächern etwas
moosbeschichtet

wir sagen wir verblassen auch
anderswo unter einem himmel der
näher dran sein soll nahe ist
was ich mit der hand berühre
sonst nichts

kontrolle

auf dem ultraschallbild endet der
offene himmel über baden
du sagst es jagt und fächert
an den rändern deiner rippen entlang
ihr habt euch kurzerhand
für die namen entschieden denn
auf den klang kommt es an und dass du
fürchtest wovon du nichts weißt
hergependelt zwischen besitztum
und freigabe unter deinem herz
ein abkommen ein naturgetriebener
versuch es fällt der erste schnee
der durchbruch einer wolke am freitagabend
nach einem marathon von über zehn jahren
stellst du euch unter heimatschutz
und bunten perlen einen kleinen
altar auf

nachtarbeit

am frühen morgen wieder etwas stimme
die nachtarbeit war glücklos
74mal das rotlicht überfahren zwischen
den schulterblättern etwas eingeklemmt
steine wie würfel zu boden gefallen
ein schnelles gebet an der letzten kreuzung
müssen flexibel sein also biegsam
40-teilig längst über dem schutzalter
ein paar teile schon verloren
diese grossspurige ähnlichkeit
mit dieser endlos unversöhnlichen erde
zuweilen schwer zu sagen was
biografisches material was echo
gleichzeitig
der stab einer fee hell
in ihrer feinkörnigen konzentration
in ihrer mitte
aufgestöberte makel
ein wunsch ausgelöscht
im park

drahtmaschen

das donnern der motoren und der
worte die äussere welt und die andere
das blech und der beton und die
zugeschlagenen türen und die zugeschlagenen
augen von frauen in lila frotteemänteln
sie nesteln an den krawattenknöpfen ihrer männer
eng am hals enger wir funktionieren so
jeder sucht sich einen koffer erinnerst du dich
das war doch dein plan die mühle
eintauschen gegen eine kleine karte eingenäht
in dein mantelfutter aber wenig ist sicher
auch nicht deine mir zugewandte seite
der liebe der sonne nur das fallen der blätter
aufgespannte zelte die rosenbüsche
und der boden des hundezwingers bilden
drahtmaschen für ein koordinatensystem der erinnerung
das unwichtige schält sich weg alles
andere stärkt uns in seinen
herausragenden konturen von glück

Nathalie Schmid
Lyrik