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der hauptmann holt, was fehlt
grenztruppenblues III

wimmernde sommernacht,
was man nicht alles im kopp
von einer seite zur nächsten wälzt.
vorturner rott mit mir auf dem turm,
genauso müde, und lahm in den knochen.

und dann seh ich
durchs nachtsichtgerät,
einen, der sich nicht beeilt,
die grenzzauntüre aufzuschließen,
in unserer uniform,
wankend wie ein ganter,
auf dem weg nach drüben.

bei mir denk ich: erstens:
dies ist nun ein fluchtversuch
und zweitens:
warum trägt er unsere uniform
und drittens:
den gang kenn’ ich allzu gut.
vorturner rott grunzt mich an, als
wär’ ich der blödeste hund im revier:
lass gut sein, gefreiter
und such’ woanders mit dem
fernglas weiter.

als wär’ es gestern gewesen,
als hätt’ ich es noch im blick,
seh’ ich denselben zwei stunden später
mit alditüte auf dem weg zurück,
durch unseren grenzzaun latschen,
wankend wie ein ganter.
rott, ich melde, die person, sie kommt zurück.
sagt der rott, schlecht aufgewacht,
nun sieh ihn dir genauer an,
dann bist du beim nächsten mal
nicht mehr so klamm.
nachtsichtgerät, mein zaubermonokel,
zeig’ mir an, wer ist der mann,
der uniforme grenzverletzer,
der getan hat, was sonst keiner tut:
erst geht er rüber, und dann kommt er wieder,
wo bleibt da jetzt der klare
menschensachverstand ?
wer rüber geht, ist ein verbrecher, und
was ist dann einer, der
rübergeht und wiederkommt?
und das in unsrer uniform?
warum steh ich hier, was soll der zaun ?
wenigstens, die ihn bewachen, sollten
sich an’s feindbild halten, sonst wird alles allzublöd,
sonst schieb’ ich lieber wache in neu-zittau, da
weiß ich, wo ich bin.

mein wunderglas, das schont mich nicht, es zeigt
des blassen soldaten gesicht:
der hauptmann ist’s und pfeifft ein lied.
hab’ ich das geseh’n, oder hab’ ich nicht?

in der tüte trug er,
was der mensch zum leben braucht,
und was hier schwer zu kriegen ist.
lux und whisky und zigaretten,
schottisch der eine, amerikanski die andern,
und die seife mit dem ganz besond’ren duft;
und
mehr will er vom westen nicht,
hat er betont,
nur die drei sachen fehlten hier,
drum hole er sie eben,
wo es sie gibt:
bei den kollegen drüben.



Peter Wolter
Lyrik
Prosa