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Snorre Björkson

Präludium für Josse

Abwarten mit Klüntjes-Tee

Snorre Björkson | Präludium für Josse
Snorre Björkson
Präludium für Josse
Roman
Aufbau-Verlag 2006

Nein, Snorre Björkson ist nicht der neue Stern am Krimi-Himmel. Snorre Björkson ist nicht mal Skandinavier. Aber er stammt immerhin aus Deutschlands Norden, der auch in seinem Roman mehr ist als ein bloßer Handlungsort. Präludium für Josse ist im Bachjahr 2000 zunächst als Hörspiel-Produktion in niederdeutscher Mundart für Radio Bremen entstanden. Auch in der Romanfassung finden sich entsprechende sprachliche Einsprengsel – da wird gesmökt, Pfannekuchen mit Pindakaas gegessen und vor allem reichlich Tee mit Klüntjes getrunken. Und abgewartet.

Der Neuntklässler Holtes lernt auf dem Friedhof die Abiturientin Josse kennen, man ist gut protestantisch, spielt im Posaunenchor, hat eine Dutt tragende Oma mit Östlind & Almquist-Harmonium und einem Bild unseres seligen Herrn Doktor Luther darüber. Holtes und Josse entdecken ihre gemeinsame Liebe zu Johann-Sebastian »Old-Joe« Bach, Josse wird nach dem Sommer in den Süden ziehen, um in Freiburg Kirchenmusik zu studieren. Die Zeit für Holtes, seinem Posaunenengel näher zu kommen, ist also knapp bemessen, zumal er eher der abwartende Teetrinker ist. Um so größer ist seine Freude, als Josse sich auf seinen Vorschlag einlässt, gemeinsam nach Lüneburg und Lübeck zu wandern, wie seinerzeit Johann Sebastian, der dort den großen Buxtehude an der Orgel hören wollte. Begleitet werden sie von Albert Schweitzers Bach-Biographie. Die beiden kommen sich näher, es bleibt jedoch beim Präludium, und Josse verschwindet nach Freiburg. Als sie sich in den Weihnachtsferien wiedersehen, ist die Entfremdung deutlich spürbar. Josse spielt kaum noch Bach, sie orgelt auch nicht mehr in Socken.

Der Plot klingt ganz verheißungsvoll. Die Kapitel sind überschrieben mit Ouvertüre (Holtes, 26-jährig vor der D-Prüfung für Orgel), Präludium (Holtes und Josse reden, musizieren, schweigen), Air (die Wanderung auf Bachs Spuren), Fuge (Holtes allein, Wiedersehen) und Coda (Holtes legt die D-Prüfung ab). Der Aufbau-Verlag wirbt mit der »meisterhaft komponierten Sprache des Autors«, der Leser und Rezensent freut sich auf Fugenthemen, Umkehrungen und Kontrapunkte und sieht sich rasch enttäuscht. Er nimmt Björkson weder seine Figuren ab, noch deren Worte und Werke. Dass auf Abifeiern das Schulorchester Jesu bleibet meine Freude zum Besten gibt, schluckt man vielleicht noch mit gehobener Augenbraue. Aber wenn Holtes in Beethoven den Verbündeten seiner Kindheit sieht, »der mich so oft gerufen hatte, wenn meine Eltern, einander anschweigend, am Eßtisch gesessen hatten, von wo ich mich mit der Bitte, aufstehen zu dürfen, ihre Antwort nicht abwartend, in mein Zimmer zurückgezogen hatte, um die Symphonien zu dirigieren,« runzelt sich die Stirn von ganz alleine. Auffällig und nicht nur in diesem Beispiel präsent ist die Vorliebe des Autors für Präsenspartizipien. Er scheint um eine gehobene, poetische Sprache bemüht und greift dabei leider immer wieder daneben: »Es versprach kein fröhlicher Abend mehr zu werden, gleichwohl sich Paps bemühte.« Oder: »Ein Eichhörnchen klammerte sich an einen halben Zweig mit künstlichem Moos und blickte mit weit aufgerissenen schwarzen Augen hinaus, als bäte es um Auslaß.« Hier hätte spätestens das Lektorat einschreiten müssen. Neben den schon erwähnten Partizipien wirken auch die starken Konjunktivformen aus dem Munde eines Neuntklässlers nicht nur gekünstelt, sondern schlicht deplaziert. Und Snorre Björkson hätte diese Marker gar nicht nötig: »Da ich zum Zelt zurückkam, schlief sie.« Warum tut er das? Versucht er der Sprache Schweitzers nahezukommen, »mit diesen urigen Formulierungen, Wörtern, die aus unserer Sprache verschwunden waren«, die Holtes so gefällt? Björkson schreibt eine meist sehr lyrische Prosa und schafft mitunter beglückende poetische Bilder. Immer wieder ist der Text von verdichteten Einschüben unterbrochen, die leider häufig auch als Unterbrechung des Textflusses wahrgenommen werden.

Meisterhaft komponiert ist Björksons Sprache nicht. Sein Hauptproblem liegt in der Registrierung. Der Autor zieht zu viele Register und verliert darüber die Kontrolle über den Gesamtklang. Auch zwängt er zu viele Motive in sein Werk, die dann nicht entfaltet werden können und letztlich belanglos bleiben. Ein Präludium muss nicht unfertig sein, es darf auch über sich hinausweisen.

Snorre Björkson wurde 1968 in Norddeutschland geboren und lebt als Musiker und Autor am Steinhuder Meer.

Thomas Weiler     03.05.2007    Druckansicht  Zur Druckansicht - Schwarzweiß-Ansicht

Thomas Weiler