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Mikael Vogel
Massenhaft Tiere
Über Mikael Vogels Lyrikband Massenhaft Tiere
Kritik |
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Mikael Vogel
Massenhaft Tiere
Verlagshaus J. Frank Berlin 2011
100 S., 13,90 Euro
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„ Das Tier schaut uns an und wir stehen nackt vor ihm. Und vielleicht fängt das Denken an genau dieser Stelle an“, schreibt der französische Philosoph Jacques Derrida. Bei Mikael Vogel fängt mit den Tieren auch die Liebe an, das Menschsein und die Ästhetik. Wie bei Pythagoras werden hier die Seelen von Menschen, Tieren und Pflanzen als Seelen von gleicher Natur angesehen.
Beim Schreiben vom Tier spricht Mikael Vogel in seinem eindringlichen, im Berliner Verlagshaus J. Frank erschienenen Gedichtband Massenhaft Tiere, damit auch selbstreferentiell von der Poesie selbst: „ die vergeblichen Deckflügel/der Poesie-“.
Mit „ Musenerdbeeren“ und die „ Himmelsbrut“ verquickt Vogel die Traditionslinien der Dichtung von Ovid bis William Blake, von Friederike Mayröcker über Les Murray auf äußerst gekonnte Weise. Es sind die Stimmen an das Geliebte, das in seiner „ Anthrozoologie“ (Thomas Macho) aufgefunden werden kann.
Tiere sind bei Mikael Vogel nicht nur Spiegelungen, Metaphern oder nur Anthropmorphismen. Nicht ist der „ Mensch das Maß aller Dinge“, wie die Sophisten behaupteten. Das Tier ist Leben und die Rede davon. Tiere lassen sich entziffern wie eine Sprache vom unmöglichen Anderen. „ Das Andere“ ist ein Teil des Angesprochenen, ist Adresse und Adressat.
Bei Mikael Vogel sind die Tiere, wie das „ Ich“ auch das Biologische, das Natürliche, das Verbindliche und damit als Dichtung eben zu allererst ein Sprechen davon. Wer selbst den Namen eines Tieres, eines singenden, also immer schon poetisierten Tieres trägt, schreibt sich selbst mit. So heißt es in der Poetik der Ernüchterung: „ Vogel in seinem Ast machte sich/zum Stück Kohle gegen die Morgendämmerung“.
Der Schreibende ist, indem er spricht, auch das, was er nicht ausspricht, indem er dichtet. So finden sich in Vogels Gedichtband notierte, wie auch vernichtete Gedichte als markierte Leerstellen im Text. Vogel beherrscht alle poetischen Facetten und literarischen Diversitäten, kennt die Abgründe und den Untergrund, ruft den Hadeshund und die Himmelsnachtigall, jede Grille, Kakerlake und sogar den Einzeller auf, spricht auch von Baudelaires Katze, Mayröckers Hündchen, Kaschnitz' Vögelchen, Rilkes Panther, ist der Elfenbeinzahn des Elefanten und so gerne gestohlen, wie dieser, ist Biber, mit dem Eifer und dem nagenden Zahn, ist die Träne im Auge des Krokodils, ist Giraffe, Pfau, Eichhörnchen oder Haselmaus. Ist Ecce homo und spricht vom „ Animot“ (Derrida), dem Wort, das dem Anthropomorphismus das Wort und die Stirn bietet. Vogel weiß das. Vogel weiß, dass ein Vogel nicht pfeifen muss, um dem schönsten Wort zu widersprechen. So kommen die feinen, aphoristischen Weisheiten in Massenhaft Tiere ganz leichtfüßig daher, zierlich und mit zartem, aber sehr schwarzen Humor und sind schönster Beweis, dass es sich bei diesen Gedichten sich sicher nicht um Massenware handelt, vielmehr um etwas Fabelhaftes, das sowohl vom Wort, wie von der Haft spricht, die einen einholt, wenn man denkt, man stände vor den Gittern und Aquarien. Durch den zweibeinigen Stand und die Artikulation ist es ja nicht leichter der Natur oder dem Verhaftetsein in ihr zu entkommen.
Mikael Vogel übersteigt mit der bescheidenen Geste der Rede von den Tieren die größten Erwartungen an die Poesie. Mikael Vogels grandioser Gedichtband eröffnet die Perspektive einer ernsthaften Vielseitigkeit, die in den nächsten Jahren mit Sicherheit noch einige poetische Wandlungen und Häutungen bereithält, worauf man sich freuen darf. Eins ist bereits sicher, Mikael Vogel hat schon jetzt die schönsten Katzengedichte ( Katerchengedichte) des 21. Jahrhunderts geschrieben.
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Swantje Lichtenstein
Texte
Lyrik
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