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Neue Prosa. Eine Anthologie aus Sachsen
Kathrin Jira, Jörg Schieke (Hg.)
Doppelte Lebensführung |
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Doppelte Lebensführung
Neue Prosa.
Eine Anthologie aus Sachsen
Hrsg. von Kathrin Jira, Jörg Schieke
u. d. Sächsischen Literaturrat e.V.
Hardcover, 256 S., 21,80 Euro
ISBN 978-3-948305-03-1
poetenladen, 12.2019/01.2020
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Die Herausgeber*innen verstehen die Prosa-Anthologie nicht als Bestenlese, sondern als aktuelle, wenn auch zwangsläufig unvollständige Bestandsaufnahme: Sachsens Gegenwartsliteratur, das lässt sich jetzt schon sagen, spricht in vielen Stimmen und zu ganz verschiedenen Themen. Klassisches Storytelling steht neben lyrisch Verdichtetem, Romanauszug neben Essay und Prosa-Miniatur. Die realistische Erkundung politischer Vergangenheit und Gegenwart ist diesen Texten ebenso eingeschrieben wie die groteske Ausschweifung – zu den beteiligten Autor*innen zählen Klassiker der DDR-Literatur, profilierte Schreibende der Jetztzeit aber auch die Hoffnungsträger der jüngsten deutschsprachigen Gegenwartsliteratur.
Die Autoren
Patrick Beck – Katharina Bendixen – Marcel Beyer – Luise Boege – Thomas Böhme – Kurt Drawert – Benedikt Dyrlich – Diana Feuerbach – Heike Geißler – Franziska Gerstenberg – Martina Hefter – Kerstin Hensel – Wolfgang Hilbig – Tobias Hülswitt – Christian Hussel – Jörg Jacob – Anna Kaleri – Anja Kampmann – Christine Koschmieder – Angela Krauß – Daniela Krien – Jan Kuhlbrodt – Isabelle Lehn – Erich Loest – Wolfram Lotz – Sascha Macht – Clemens Meyer – Laura Naumann – Tom Pohlmann – Kerstin Preiwuß – Lukas Rietzschel – Uwe Tellkamp – Hans-Ulrich Treichel – Bernd Wagner – Bettina Wilpert – Jens Wonneberger – Ulrich Zieger
Lesungen
Leipziger Premiere
Neue Prosa aus Sachsen – Doppelte Lebensführung
Zeit: Donnerstag, 12.12.2019 um 20 Uhr
Ort: galerie KUB, Kantstr. 18, 04275 Leipzig
Lesung mit Christine Koschmieder, Bettina Wilpert, Patrick Beck, Bernd Wagner, Kathrin Jira (MOD), Jörg Schieke (MOD)
Dresdner Premiere
(Ort und Termin wird noch bekanngegeben)
Weitere Lesungen folgen
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Diese Maßnahme wird mitfinanziert durch Steuermittel auf der Grundlage des von den Abgeordneten des Sächsischen Landtags beschlossenen Haushaltes. |
Erich Loest
Mißverständnisse. Über späte Einsichten
(April 1996)
I.
Unlängst las ich in den USA aus meinem Roman »Nikolaikirche« und erwähnte den Satz, den ich Frank Beyers Verfilmung am Ende der Stasi-General spricht: »Wir waren auf alles vorbereitet, nur nicht auf Kerzen und Gebete.« Im Leben bekannte so Horst Sindermann, der letzte SED-Volkskammerpräsident, nach der Wende in einer hellsichtigen Stunde. In der Diskussion meldete sich ein Herr: Er habe alles verstanden, nur wundere er sich, woher die 70.000 Demonstranten des 9. Oktobers 1989 in Leipzig all die Katzen herbekommen hätten.
Mir dämmerte: Kerzen, Katzen – es ist mit meinem sächsischen R nicht weit her; es war so abgeschliffen herausgekommen, daß der Mann »Katzen« verstanden hatte. Dabei ist das Bild so hübsch: Da ziehen 70.000 Menschen mit friedlichen Katzen auf dem Arm, und am Straßenrand stehen hilflos die Polizisten mit ihren Hunden. Wäre es doch angängig gewesen, ich hätte meinen Zuhörer in seiner lieblichen Vorstellung lassen dürfen, die weit sinnfälliger ist als die Wirklichkeit.
...
Erich Loest, geboren 1926 in Mittweida, gestorben 2013 in Leipzig. Erich Loest verfasste Romane, Erzählungen, Aufsätze, Hörspiele und Features. Der hier abgedruckte Text stammt aus dem Band Träumereien eines Grenzgängers (Respektlose Bemerkungen über Kultur und Politik, Hohenheim Verlag Stuttgart / Linden-Verlag Leipzig, 2001).
Vorwort
Doppelte Lebensführung
Wir beide wissen, dass man als Schriftsteller sein Leben doppelt führt. Man geht den Anforderungen des Alltags nur nach, um schreiben zu können. Kerstin Preiwuß
Die hier versammelten Autorinnen und Autoren vereint in erster Linie die Tatsache, dass sie das Schreiben als Arbeit betrachten. Eine Arbeit, die mit dem Leben der oder des Schreibenden besonders eng verknüpft, mit diesem aber auch oftmals schwer vereinbar ist. Schreiben muss jeden Tag neu erkämpft werden, gegen innere und äußere Widerstände. Diesen Kampf zu würdigen, ist Wunsch dieser Anthologie.
Wer sie in zehn oder zwanzig Jahren zur Hand nimmt, sollte daraus ablesen können, was die Autorinnen und Autoren seinerzeit beschäftigt, beunruhigt und angespornt – was ihre Texte angetrieben hat. Eine Anthologie, das ist unser Anspruch, soll keine Bestenliste sein und trotzdem literarisch ernstgemeinte Texte versammeln. Sachsen ist ein Bundesland, eine von einer bewegten Geschichte gezeichnete Region und zugleich eine literarische Landschaft, und dieses Sachsen bringt seit Jahrzehnten und Jahr für Jahr aufs Neue literarische Stimmen und Texte hervor. Ein Text wird dann zu einem literarischen, wenn er nach bestem Können und Gewissen etwas wagt und formuliert, das in anderer Sprache und Form so nicht zu haben wäre. Wir hoffen, dass die hier zusammengetragenen Texte diesen Anspruch einlösen.
Die Autorinnen und Autoren dieses Buches sind sich in vielen Dingen nicht einig, sie folgen oft sehr verschiedenen künstlerischen Strategien und schreiben von der Welt und ihren sächsischen Formaten aus je verschiedenen Perspektiven. Das Erzählen ist ein offener und manchmal auch zugiger Raum, in dem die Dinge und Gedanken ständig hin- und hergeweht werden. Erich Loest wurde 1926 geboren und ist 2013 gestorben, Lukas Rietzschel wurde 1994 geboren. Mehrere Generationen sächsischer Literatur also, und dementsprechend eine große Auswahl verfügbarer Formen.
Eine jede Form, so die Autorin /?der Autor sie zu gebrauchen weiß, ist tauglich: Prosaminiatur und lyrisch reduziertes Stück, Erzählung und Essay, Romanauszug und dramatische Erzählskizze. Texte, die sich in der Pose des Tabubruchs, des Schenkelklopfers oder in Ideologie erschöpfen, sind, literarisch besehen, langweilig und – zumindest nach den Maßstäben der beiden Herausgeber – nicht aufgenommen worden.
Als wir im April 2019 mit der Arbeit an dieser Anthologie begonnen haben, sind wir über verschiedene Kanäle an sächsische Autorinnen und Autoren herangetreten. Alle, die eine mehr als lose biografische Verbindung zu Sachsen haben, waren willkommen. Die Texte sollten möglichst im 21. Jahrhundert entstanden sein, was bis auf die Beiträge von Erich Loest und Ulrich Zieger (hier galt es bestimmte Nachlassbedingungen zu beachten) auch eingelöst wurde. Am Ende konnten wir nicht alle eingesandten Texte in diese Anthologie aufnehmen und haben nach den von uns bestimmten Kriterien (siehe oben) ausgewählt. Wir wünschen allen, die dieses Buch zur Hand nehmen: Viel Freude beim Lesen und Entdecken!
Kathrin Jira und Jörg Schieke
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