Tom Nolan 
Antipoden
für meine Schwester, Sara Nolan  
  
Du konntest es: mein Leid verfliegen lassen.    
Die Schwermut, Arme immer neuer Kraken, 
Du zogst sie ab wie schimmelige Laken. 
Aus Traumes-Enge hast du dich befreit, 
Läßt jetzt die Haut vom heilen Licht erfassen. 
Du konntest es, und es war höchste Zeit.
 
Das Dorf am Strand macht sich für dich bezahlt. 
Für mich gab all das leider nie viel her: 
Graugrünes Buschwerk, Salzsee und das Meer, 
Die Sommersonne, die mit aller Macht 
Die trüben Dünen vor dir überstrahlt, 
Der nebelhelle Himmel in der Nacht.
 
Die dumpfe Heimat hätte dich versehrt 
Und deine Ambitionen eingeschränkt, 
Sie hätte dich mit lauem Nein gekränkt 
Durch ihr so gut gemeintes Lob gequält, 
Und dich durch unsichtbare Zucht belehrt, 
Daß man die Freude und die Tage zählt.
 
Die Stille auf dem ganzen Kontinent, 
Der Rauch im Busch, der alte Farben neuer 
Und fremd und dreckig macht aus seinem Feuer, 
Die grelle Trockenheit der Atmosphäre, 
Die alles, was du sagst, zu Asche brennt – 
Nichts, das wie du: so offenherzig wäre.
 
Ich aber hatte Angst, daß solch ein Leben 
Mein Denken auslöscht, das noch kaum begann, 
Und daß mein halber Geist nicht wachsen kann. 
Das Kinderzimmer war doch wunderbar, 
Denn sein beengter Frust beschützte eben 
Das Wesen, das ich eben einmal war.
 
Nach zwanzig Jahren komme ich zurück: 
Du gehst in deiner kleinen Inselstadt 
Auf alles Übel zu und setzt es Matt, 
So mutig wie in deinen ersten Jahren. 
Was war, ist längst begraben, Stück für Stück 
Begegnest du den drohenden Gefahren.
 
Nun sieht zwar alles etwas anders aus – 
Ein Fluß, der sich so braun wie Tee ergießt, 
Geröll am Fels, wo bleiche Flechte sprießt – 
Doch scheint die Sonne in so fernem Frieden 
Der Sturz ins Sternenfeld so weit hinaus, 
Die Kälte rascher Wolken so entschieden
 
Wie damals, als uns all das trennte. Sara: 
Ich tue, was ich kann, und halt es fest, 
Doch überleb ich nur in meinem Nest, 
Gefängnis, eng und streng, doch meine Welt. 
Begnadet weiß ich mich, denn ich erfahre 
Im Augenblick ein Leben, das sich hält.
 Übersetzung: Christophe Fricker 
Tom Nolan    10.05.2009 
 
 
  
  
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