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Andrea Maria Schenkel
Tannöd
Hamburg: E. Nautilus 2006
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Auf einem Einsiedlerhof in der Oberpfalz werden eine Bauernfamilie und ihre Dienstmagd ermordet. Schicht um Schicht wird das Drama, das sich abgespielt hat, in mehreren Erzählstimmen aufgeblättert: Der Lehrer, der Bürgermeister, der Pfarrer, der Postbote – alle kommen zu Wort und zeigen ihre Sicht auf die Dinge. Auch der Mörder. Die Opfer laufen ihm in der Scheune in die Spitzhacke und als er mit ihnen fertig ist, geht er rüber ins Haus und bringt eine Dienstmagd und einen kleinen Buben um. Dieser Blutrausch bleibt letztlich unerklärbar, der Mörder hätte nach den ersten vier Opfern die Scheune verlassen und heimgehen können, aber er vollendet sein Werk und bringt noch zwei weitere Menschen um.
Zwei Dinge sind wichtig bei der Lektüre dieses Buchs
Tannöd der Krimidebütantin Andrea Maria Schenkel. Erstens: Die Geschichte basiert auf authentischen Ereignissen und die sind immer noch ungeklärt (das macht die Entstehungsgeschichte des Romans und die Arbeit der Autorin umso interessanter). Zweitens: Sie spielt in den fünfziger Jahren. Das erfährt der Leser erst auf Seite 40 (es sei denn, er hat den Klappentext sehr aufmerksam gelesen; aber die Wirkung ist ja beabsichtigt) und bis dahin findet man das Ambiente eher befremdlich – Mädchen mit Zöpfen, die Verstecken spielen und Räuber und Gendarm und Kaufladen; Mägde und Knechte, die von Bauernhof zu Bauernhof mit dem Radl unterwegs sind; Rohrnudeln statt Pasta; Tischgebete zu Hause, Morgengebete in der Schule. Dann wird jedoch klar, dass die Zeit nicht weit weg ist vom Ende des Zweiten Weltkriegs und der Nazidiktatur, Zwangsarbeiter gab es im Dorf und auf den Höfen.
Ungewöhnlich an dem Buch ist die präzise Sprache einerseits, die das bayerische Idiom genau erfasst und andererseits die Novellen-Länge von nur 128 Seiten. Es ist ein Krimi, den man an einem ruhigen, ungestörten Abend in einem Zug lesen kann. Das ist seine große Stärke: Der Aufbau der Spannung und die Parlandos, die in der Lektüre nicht unterbrochen werden müssen.
Andrea Maria Schenkel lebt mit ihrer Familie in der Nähe von Regensburg. Eine kurze Leseprobe und Angaben zum Buch finden sich bei der Edition Nautilus. In der KrimiWelt-Bestenliste (März 2006) ist der Roman auf Platz Eins.