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Die Popliteratur ist tot!
Christiane Geldmacher liest den Trends hinterher
Ich weiß nicht, wie es anderen geht, aber ich lese meistens literarischen Trends hinterher. Jüngst den Popliteraten. Genau in dem Moment, als ich sie endlich im Antiquariat entdecke, werden sie in den Feuilletons für tot erklärt. Ihre Zeit ist vorbei, heißt es, und sie wird auch nicht mehr wiederkommen. Au revoir, Good-bye, auf Wiedersehen, die Party ist vorbei.
Damit meinen die Kritiker nicht etwa Leute wie Kerouac oder Ginsberg - die unter der Sammelbezeichnung Beat Generation in den 50er Jahren in den USA bekannt wurden -, sondern zum Beispiel Benjamin Stuckrad-Barre oder Christian Kracht oder Alexa Hennig von Lange oder Thomas Brussig und einige andere.
Benjamin Stuckrad-Barre war Kolumnist. Christian Kracht gibt eine Zeitung mit dem Titel Der Freund heraus. Alexa Hennig von Lange arbeitete lange bei MTV, modelte dann für Benetton und schrieb schließlich einen Tagebuchroman mit zwei Co-Autoren. Thomas Brussig bediente die Ost-Popszene mit seinem Roman Am kürzeren Ende der Sonnenallee und verfasste zuletzt zusammen mit Edgar Reitz das Drehbuch zu dem letzten Teil der Heimat-Trilogie.
Wie gesagt: Alle passé. Nur Dampfplauderer, keinen Tiefgang, keine Substanz. Schluss mit nerviger Markenreflexion, Befindlichkeitsliteratur und narrativem Autismus.
Gut und schön. Wenn es dabei bliebe, von mir aus. Aber wie es eben so geht mit den bundesdeutschen Mediahypemaschinen, wird neben der Popliteratur gleich wieder die Literaturinstitutsliteratur - die Schriftstellerschmieden Hildesheim, Leipzig, Tübingen - und die jungen Nachwuchsautoren mit niedergeschrien.
Das Pendel schlägt wieder zur anderen Seite aus. Am besten ist es im Moment, seinen Durchbruch mit über 50 zu erleben. So wie Wilhelm Genazino. Der Mann studierte Germanistik und Philosophie in Frankfurt, arbeitete als Journalist, war Redakteur von Pardon und begann seine literarische Karriere mit Ende Vierzig. Er schrieb Bücher wie die Abschaffel-Trilogie oder Der Fleck, die Jacke, die Zimmer, der Schmerz. Zuletzt Die Liebesblödigkeit. Seinen Durchbruch hatte er vor zwei Jahren, als er den Georg-Büchner-Preis gewann. Exemplarisch wird ihm vor allem zugute gehalten, was den Popliteraten, den Jungen, den Nachwuchsautoren fehlt: Erfahrung, Tiefe, charakterliche Reife.
Und das wird jetzt noch einige Jahre weitergehen. Für einige Jahre werden - Stichwort Methusalem-Komplott, Schluss mit dem Jugendwahn - die älteren Autoren ins Rampenlicht treten.
Vielleicht ist dann die Trendhype im Literaturbetrieb vorbei - wohin sollte sie sich auch sonst noch wenden? - und es zählt endlich nur noch die Qualität. Egal, wie alt sie ist.
© Christiane Geldmacher