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»Zufällig romantisch«
Gespräch mit Mirko Wenig
Diana Feuerbach im Gespräch über ihr Roman-Debüt
Gespräch |
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»Romantisch zu sein bedeutet ja,
mutig zu sein.«
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Diana Feuerbach, geboren 1972 in Stollberg / Erzgebirge, studierte Journalistik und Fernsehproduktion in den USA, ehe sie mit dem literarischen Schreiben begann. Während ihres Studiums am Deutschen Literaturinstitut Leipzig veröffentlichte sie erste Kurzgeschichten, Erzählungen und Gedichte. Neben anderen osteuropäischen Ländern hat sie besonders die Ukraine bereist und kennengelernt. Diana Feuerbach ist Stipendiatin der Kulturstiftung des Freistaates Sachsen sowie des Klagenfurter Literaturkurses und Gewinnerin des Publikumspreises beim MDR-Literaturwettbewerb.
Wenn es so etwas wie die ideale Sommerlektüre gibt, dann ist der Debütroman Die Reise des Guy Nicholas Green von Diana Feuerbach hierfür ein Tipp. Mit bittersüßer Leichtigkeit erzählt die Leipziger Autorin die Geschichte einer unfreiwilligen Männerfreundschaft in der Schwarzmeermetropole Odessa. Da ist Jamie, ein naiver Engländer, der sich über eine Heiratsagentur in eine ukrainische Frau verliebt hat. Und da ist Guy Nicolas Green, ein vom Leben enttäuschter Weltenbummler mit einem dunklen Geheimnis. Gemeinsam suchen sie Jamies Traumfrau Julia. Ein origineller Roman, der zugleich humorvoll und melancholisch, rasant und nachdenklich sein kann. Mirko Wenig hat sich mit der Autorin über das Buch unterhalten.
Mirko Wenig: Liebe Diana, wie kommt eine deutsche Autorin dazu, einen Roman zu schreiben, der im Heiratstourismus-Milieu von Odessa spielt?
Diana Feuerbach: Der Roman ist per Zufall entstanden. Ich bin 2006 zum ersten Mal in die Ukraine gereist, weil ich Freunde habe, die aus der Ukraine nach Leipzig emigriert sind. Ich wollte ihr Heimatland kennenlernen. So bin ich auch nach Odessa gekommen, und dort ist mir völlig unerwartet diese Geschichte über den Weg gelaufen.
M. Wenig: In welcher Form?
D. Feuerbach: Ich bin Männern aus dem westlichen Ausland begegnet, die auf der Suche waren nach ukrainischen Ehefrauen, mit Hilfe von Heiratsagenturen. Ich hatte Mitgefühl mit diesen Männern, weil aus ihren Erzählungen zu hören war, dass die Agenturen, um es nett auszudrücken, recht halbseiden arbeiteten. Die Heiratstouristen haben mich berührt, ihre Ehrlichkeit, ihre Einsamkeit.
M. Wenig: Dein Held Jamie Durham bricht aus seiner englischen Dorf-Tristesse aus, um in Odessa die große Liebe zu finden. Der deutlich ältere Erzähler Guy Nicholas Green hat hingegen mit dem Leben abgeschlossen: einst ein Weltenbummler, will er sich nun in ein Kloster zurückziehen. Was interessiert dich an diesen Figuren: den Glückssuchern und den Gescheiterten?
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Diana Feuerbach
Die Reise des Guy Nicholas Green
Roman
223 Seiten. 14.99 €
Osburg Verlag. Hamburg 2014
ISBN 978-3-95510-039-1
Auch als E-Book erhältlich
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D. Feuerbach: Ich fange mal mit Guy an. Mich interessieren Leute, die über einen längeren Zeitraum hinweg reisen. Ich habe solche Typen kennensgelernt auf Rucksackreisen, die ich selbst gemacht habe. Ab und an trifft man da Männer, die schon lange unterwegs sind und kein richtiges Ziel mehr haben. Sie kamen mir verloren vor. Ich nenne Guy im Roman Treibholz; sein Entwurzeltsein fasziniert mich. Jamie, die zweite Hauptfigur, ist das Gegenstück. Er ist jünger als Guy, naiv, glaubt an das Gute und Schöne. Er ist noch nicht so enttäuscht worden wie Guy. Und er ist verliebt. In diesem Zustand hat man sowieso die rosarote Brille auf. Er erlebt diese Hochgefühle und kommt voller Optimismus nach Odessa, um dort seine Freundin zu finden, die er im Internet kennengelernt hat. Beide Perspektiven auf das Leben wollte ich miteinander konfrontieren.
M. Wenig: Der Roman beschreibt eine Liebesodyssee: Jamie sucht nach Julia, die er für die ideale Frau hält. Zugleich gibt es einen bösen Blick auf das Verliebtsein, weil alles aus der Sicht des sarkastischen Guy geschildert wird. Es gibt auch viel Humor und beinahe groteske Szenen. Würdest Du Die Reise des Guy Nicolas Green im weitesten Sinn als Liebesroman beschreiben?
D. Feuerbach: Für solche Einordnungen bin ich zu betriebsblind. Aber auf jeden Fall steckt in der Figur des Jamie viel Romantik. Romantisch zu sein bedeutet ja, mutig zu sein. Jamie fährt ohne jede Ahnung nach Odessa. Er hat zwar eine Adresse, aber er konnte sich nicht vorher absprechen mit dem Mädchen. Sein Herz ist weit offen, und dadurch ist er anfällig für Verletzungen und Enttäuschungen.
M. Wenig: ... Was Du sehr auskostest! Bei Julia hatte ich den Eindruck, sie ist eine Idealisierung, fast ein Phantom ...
D. Feuerbach: ... Stimmt. Jamie weiß auch nicht, ob sie überhaupt die Julia ist, mit der er sich zuvor geschrieben hat. Ich hatte einen Riesenspaß, ihm solche Fallen zu stellen. Dahinter steckt für mich die Frage, ob es wirklich den einen „richtigen Wahren“ fürs Leben gibt oder die eine „wahre Richtige“. Ist es nicht eher so, dass man bei genauerem Hinsehen eine große Auswahl hat?
M. Wenig: Odessa beschreibst du als Stadt der Gegensätze. Treppen verfallen, Fahrstühle sind verrostet, Verkehrsmittel marode. Andererseits gibt es protzige Neubauten, Marmortreppen, edle Apartments ...
D. Feuerbach: Ja, das lebt Seite an Seite. Es gibt nicht die Mentalität, erstmal das Alte in Ordnung zu bringen. Lieber baut man etwas Neues, macht ein Statement. Als Besucherin hatte ich das Gefühl, parallel in verschiedenen Zeitebenen unterwegs zu sein. Seit ich zum ersten Mal in Odessa war, hat sich jedoch viel verändert. Ich beschreibe zum Beispiel eine uralte Straßenbahn. Ich glaube nicht, dass sie dort noch herumzuckelt (lacht). Mein Roman spielt Mitte der Nullerjahre; im Grunde ist das Geschilderte bereits historisch. Umso froher bin ich, dass ich es aufgeschrieben habe.
M. Wenig: Bei der Straßenbahnfahrt von Jamie und Guy, die du erwähnst, klappen die Waggontüren auf wie morsche Kiemen, die Insassen schwitzen und schimpfen, die Schaffnerin ist zum Fürchten ... Dennoch beschreibst du die Fahrt mit einem fast zärtlichen Blick. Was fasziniert dich an so einem alten Vehikel?
D. Feuerbach: Das Nicht-Perfekte! Ich habe das Gefühl, man ist lebendiger, wenn man derart – im wörtlichen Sinne – „bewegt“ und mitgenommen wird. Es gibt moderne Verkehrsmittel, da kannst du einschlafen. Alles funktioniert, ist sauber und hell. Man schwebt dahin. Eine Fahrt in einer ukrainischen Marschrutka, die an jeder Straßenecke hält, weil jemand ein- oder aussteigen will, wo man das Geld der anderen zum Fahrer durchreicht und es ein Gedränge und Geholpere gibt: Das ist lebendig, man ist wacher. Das macht Spaß, als Tourist. Aber sicher nicht, wenn man dort wohnt und es täglich ertragen muss ...
M. Wenig: Über Odessa schreibst du, die Stadt hoffe, wieder zu werden, was sie vorgebe, einst gewesen zu sein: eine Diva am Schwarzen Meer. Was bedeutet das?
D. Feuerbach: Odessas goldene Zeit liegt mindestens hundert Jahre zurück. Der Historiker Oleg Gubar, der mir bei meinen Recherchen geholfen hat, formuliert es so: „Wie ein Vogel, dessen Flügel von einer Kugel getroffen wird, wurde sie [die Stadt] von den tragischen Ereignissen des zwanzigsten Jahrhunderts verwundet.“ Er meint damit die Kriege, die lange Sowjetzeit, den wirtschaftlichen Niedergang. Ob sich der Vogel – oder in meinem Bild die Diva – zu neuen Höhen aufschwingen wird, ist angesichts der aktuellen Situation in der Ukraine ungewisser denn je. Und mein Erzähler Guy Nicholas Green ist doppelt skeptisch: er glaubt nicht einmal, dass es eine goldene Vergangenheit gab! Für ihn ist jede Nostalgie eine Lüge.
M. Wenig: Vielen Dank für das Gespräch.
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Diana Feuerbach
Gespräch
Prosa
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