poeten | loslesen | gegenlesen | kritik | tendenz | news | links | info | verlag | poet |
Max SessnerWarum gerade heuteDer Sammler der Momente Kritik
Der in Augsburg lebende Max Sessner ist im Lyrikbetrieb von zurückhaltender Präsenz. Er schwebt nicht auf den Luftkissen von Stipendien, Preisen und Auszeichnungen. Er hat keine wichtigen Fürsprecher und tingelt nicht von Lyrikfestival zu Lyrikfestival. Max Sessner verdient seit vielen Jahren sein Brot als Buchhändler und schreibt Gedichte. Punkt. Nun ist bei Droschl der Band Warum gerade heute erschienen, nach Küchen und Züge (2005) der zweite in dem renommierten österreichischen Literaturverlag. Sessner gehört zu den Autoren mit einer unverkennbaren Stimme und einer unverkennbaren Stimmung. Seine Poesie entwickelte sich von den ersten Publikationen an bruchlos, es ist so, als würden sich die einzelnen Gedichte an der Hand nehmen und eine einzige, immer längere Kette bilden. Das Gedicht Das Jahr das keines war beginnt mit der Strophe Das Jahr das keines war trage ich noch alles in Ordnung wir entkorken die Inhaltlich ist Sessners Welterfahrung durch wiederkehrende Motive gekennzeichnet: Das Misslingen wird die Regel, das Gelingen die Ausnahme bleiben. Das Leben versagt stets mehr als es gibt. Es braucht Demut, Reife und Bescheidenheit, das anzunehmen und das Glück der kleinen Momente zu finden. In der unabweisbaren Übermacht der traurigen Geschehnisse liegt jene Melancholie begründet, der „basso continuo“ in den Gedichten von Max Sessner. Sie erstarrt jedoch nicht zur narzistisch- Diese Zärtlichkeit bewahrt die Melancholie auch davor, sich zur Depression einzuschwärzen. Es sind stets die einfachen Dinge, die Max Sessner benennt: ein Haus, ein Tisch, eine Wiese, ein See etc. und wie Andreas Altmann, dessen Grundton allerdings fatalistischer und viel härter ist, verzichtet Sessner konsequent auf Adjektive und jede selbstverliebte Beschreibungsornamentik. Es geht um die Bausteine einer Welt, die uns von der Kindheit bis in den Tod begleiten: alltägliche Dinge in alltäglichen Situationen, und jeder Moment ist in sich immer beides: Trauer und Trost, Schönheit und Vergänglichkeit, Liebe und Verlust. Das verleiht den Texten trotz der pessimistischen Grundierung etwas Verspieltes und Verträumtes. Warum gerade heute ist mit hundert Seiten ein umfangreicher Band. Der ein oder andere Leser mag sich auf dieser langen Strecke einen Tonartwechsel vermissen, mag eine gelegentliche Nähe zur resignativen Nörgelei registrieren, sich wünschen, dass der Autor auch einmal die Faust ballt und auf den Putz haut. Aber das ist Sessners Sache nicht. Er wird seine Bescheidenheit nicht ablegen, weiter mit seinem Hund spazieren gehen, mit seiner Geliebten das allmähliche Altern (keine Bange, er ist erst 53) erwarten und Gedichte schreiben. Seine Gedichte.
|
|
|
poetenladen | Blumenstraße 25 | 04155 Leipzig | Germany
|
virtueller raum für dichtung
|