Hansjürgen Bulkowski
Bett
Das Bett hat es nicht leicht.
Legt sich ein Mensch hinein, muss das Bett sogleich seinen stämmigen, in sich ruhenden Stand behaupten. Das Gewicht, das es trägt, ist ja nicht leblos: der Körper bewegt und schiebt, dreht und wirft sich von einer Seite zur anderen – ob im Wachsein, im Halbschlaf, im Schlaf, unentwegt.
Das nimmt auf Dauer das Bett ganz schön mit. Es ist ja kein Schrank oder Küchenherd, hat es nicht mit Sachen zu tun sondern mit Menschen. Wie Stühle, wie Polstermöbel. Am Bett gerät, wenn es benutzt wird, alles in Schwingung: Gestell, Bettkasten, Rost. Fortwährend rüttelt es an allen Verbindungen und Fügungen.
Das Bett ächzt, stöhnt, wimmert, als versuche es, Ausdrucksweisen des Körpers anzunehmen.
Legt sich der Mensch, noch angekleidet, auf die Tagesdecke, liegt er auf dem Bett – für ihn ein Lager, oberflächlich, kühl und luftig und gerade recht, um für einen Moment die Muskeln zu lösen.
Erst ausgezogen, nackt oder im Nachtkleid und zugedeckt von Decke, Steppdecke oder Plumeau, befindet sich der Körper im Bett.
Ins Bett, in ein überschaubares Möbelstück, hat sich der Mensch hineinbegeben, hat sich ihm anverleibt.
Das Bett vollzieht den Übergang von einem Ding, das der Mensch vor sich hat, zu einem Raum, der ihn einhüllt. Nicht bloß umgibt wie ein leeres Zimmer: der Körper steckt bis zum Hals, oft genug bis zur Nasenspitze, in einer großen, genau zu ihm passenden Tasche – in einem Futteral. Im Bauchbeutel der Welt.
Zwischen Deckbett und Laken bringt sich der Körper in die Lage, seinen Feuchtigkeitshaushalt auszugleichen. Nicht zu glauben, wieviel Flüssigkeit der Mensch nachts durch seine Haut an die leinene, baumwollene Bettwäsche abgibt. Unter der Decke entsteht ein wohliges Mikroklima: der Körper mummelt sich ein in eine schwitzwasserfeuchte, ein bisschen stickige, mit Ausdünstungen gefüllte Wärme. Die ist ihm nah und vertraut und allein ihm, keinem sonst eigen. Auch niemandem sonst zumutbar.
Während die Bettdecke von oben die Leibeswärme beieinander hält, leistet die Unterlage – Laken, Matratze, Lattenrost – ein weiteres: das langdauernde Liegen möglich zu machen.
Anders als in seinem Leben tagsüber, in dem er sich aufrecht und leichtfüßig bewegt, ist der liegende Mensch unmittelbarer, stärker der Schwerkraft ausgesetzt: nicht nur der Rumpf, auch die Glieder, sogar der Kopf bekommen die Gravitation zu spüren. Bei längerem Liegen auf einer zu harten Unterlage, kann dem Körper das eigene Gewicht zur Last fallen, Last, die eine kleinteilig gefederte Matratze mildert. Weich und fest zugleich, passt sie sich jeder Liegehaltung an, verteilt den bodenwärts gerichteten Sog auf den ganzen Körper.
In der Liegelage wandelt sich der Mensch: ist er in der Senkrechten auf praktisch anpackende, gespannte, nüchterne Weise tätig – in der Waagerechten neigt er zu gefühlig lässiger, empfänglicher Trägheit.
Dem Leib ist das Bett ist ein Grundlebensmittel. Der ihm angemessene Platz, an dem die üblicherweise Lust, bisweilen sogar Leben erzeugenden Organe ekstatisch zu- und ineinander finden.
Die Stätte, an der ein neuer Mensch in die Welt geworfen, gepresst wird. Der Ort, an dem der Mensch unermüdlich seine Kräfte erneuert – wie viele Nächte, Stunden verbringt er im Bett. Die Lagerstatt auch, die er nötig hat, wenn er krank niederliegt und das Fieber, die Störung der Organe, die Angst dulden muss.
Zuletzt ist das Bett die Stätte, an der, wenn nur möglich, das Leben auch endet. Im Sterben holt es den Menschen ins Bett zurück. Dort wo sein Leben begann.
Bei der lebenstiftenden Vereinigung und bei der Geburt ist der Mensch zu zweit. Stirbt er, ist er in seinem Bett allein.
Hansjürgen Bulkowski 22.05.2007
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