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Jeffrey McDaniel
Zoo für obszöne Stöhner
Was ist eigentlich aus dem Psycho geworden, der immer ins Telefon
stöhnte? Neue Technologien – Rückruftaste, Rufnummernanzeige, Internet –
haben ihn und seine Obsession auf den Schrottplatz der Geschichte gekickt.
Wen kann er heute schon noch anrufen? Er ist gewissermaßen
die 8-Spur-Kassette unter den Perversen. Kurzzeitig versuchte er,
dreckige Sätzchen in Chatrooms abzulassen,
aber man behandelte ihn dort als sei er völlig normal,
was ihm endgültig den Rest gab.

Vielleicht sollten wir die letzten Exemplare aufsammeln,
die noch immer in freier Wildbahn ihr Stöhnen pflegen,
und sie, bevor sie aussterben, in einem speziellen Zoo unterbringen,
in Käfigen ausgestattet mit Wählscheibentelefonen
(natürlich nur zur Dekoration) und uninspirierten Möbeln,
angereichert mit zusammengeknüllten Sandwichtüten,
um den ›natürlichen Lebensraum‹ nachzuempfinden.

Vielleicht dazu eine Tafel mit der Aufschrift: Hier
hockt der obszöne Stöhner. Er rief in der Regel nachmittags
nichtsahnende Hausfrauen an und stellte die Atmung
auf Nebelmaschine um. Dafür lebte er: für jenes allererste
Schnappen nach Luft, für den kehligen Laut, der ihr
entwich wie ein Wetterballon, wenn sein Nebel
sie durchfuhr.

 

Aus dem Amerikanischen von Ron Winkler  

Jeffrey McDaniel    16.08.2007    

Jeffrey McDaniel
Lyrik