Karla Reimert
Auffanglager
Für Frank Bossert
Unsere Worte: schwimmende
Hotels mit langen dunklen Fluren
Du bist eins von diesen Wow-dingern,
Botschaftshotel: frei entworfen
irgendwo zwischen
Paris und Schwarzmeer-Packeis.
Wir mieten ein Gitterbett, stundenweise
kriegt man bei dir Konsonanten
aus fast jeder
noch so abgefuckten Sprache.
Außer Rumänisch natürlich,
Rumänisch kriegt man nie,
nicht mal geschenkt: scheue
rumänische Waisenhaus-
frikkative. Komm, Liebste,
sag mal „Ancel“.
Sag Bossert, sag Celan, sag,
dieses Bett ist ein Steg, wiederhole,
das hier ist Frankfurt.
Hier fließt nicht die Seine,
dieses Hotel ist nur ein Wort
in einem dunklen Flur,
ein nobles Luft-
gitarrengrab. Wir wohnen
2. Hinterhof abwärts, spielen
auf jeder Treppe des Windes.
Ich starre
auf deinen Bauch,
wie er sich bewegt,
wie er zittert, will ich wissen,
wenn er über die Mauer klettert,
wenn du deine Zunge
durch unser zu langes Warten
gen Westen presst.
Dieser dunkle aufrechte
Flur meiner Worte
Deine Söhne und der Destillierkolben,
diese Erbengemeinschaft,
zu Ehren des englisch-
sprechenden Vaters
auf die Bühne geschoben.
Im Nachruf so besoffen
fliegen wie die Toten!
Im Traum heulst du
noch Selbstgebranntes:
mit exilweiten Schritten
fällt der Boden über dich her.
Karla Reimert 19.04.2009
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Lyrik
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