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Adam Schwarz
Die Kräne
Wenn wir alle verschwunden sind, den Planeten in einer der denkbaren Formen verlassen haben, könnten die Kräne zum Leben erwachen.
Jahrelang werden sie dastehen, gelb und groß, im Grün der Hügel des Schweizer Mittellands, im Braun Andalusiens werden sie in Kleingruppen oder einzeln neben halbvollendeten Gebäuden verharren und vergeblich darauf warten, dass die Arbeit wieder aufgenommen wird. Nichts wird zu hören sein außer dem Gurren der Tauben, einigen Ratten vielleicht, die durch das Gestrüpp rascheln. Und der Wind, der Föhn, der weiterhin über die Alpen einmarschiert, wird die Maschinen zum Schwanken bringen, schwanken werden sie, aber sie werden nicht umfallen. Spinnen werden ihre Chance wahrnehmen und Taunetze zwischen die Gitterstäbe spannen, die den Winden trotzen. Mit den Jahren werden die Kräne schwarz-gelbe Muster aufweisen von all den Insekten, die sich zwischen ihren Eisenknochen verfangen haben: Feldmaikäfer, Marienkäfer, fliegende Ameisen, Eulenfalter. Von den geborstenen Scheiben verführt nisten sich Tauben in den Kabinen ein, die von Kabinenhebel zu -hebel und von Schaltknopf zu Schaltknopf springen, als ahnten sie deren Bedeutung. Dabei ernähren sie sich von Insekten, die von der Sonne gedörrt worden sind.
Und dann, eines Abends, wird sich ein Oberdreher-Kran in der Windstille bewegen, vielleicht aus eigenem Willen, vielleicht, weil die Tauben endlich die richtigen Knöpfe fanden. Aus der Feierabendposition, in der man ihn zurückgelassen hatte, wird er sich der Sonne zuwenden. Die Spinnennetze flattern etwas, aber sie bleiben bestehen. Der Kranausleger wird gegen den Ausleger eines Artgenossen prallen, der sich nun ebenfalls zur Sonne dreht. Andere Kräne folgen dem Vorbild. Ein Beobachter, ein letzter Mensch, könnte sehen, wie die Eisengalgen vor dem Sonnenuntergang tanzten. Tage später schießt ein Hubseil hinunter, ohne dass jemand den Haken einspannt. Manchmal verrutscht eine Laufkatze, und die Seile zweier Nachbarn verfangen sich und biegen die Kräne zur ewigen Umarmung. Schräg stehen sie nun da, ohne umfallen zu können, denn die Fundamentplatten wurden zu sauber versetzt, der Schwerpunkt zu gewissenhaft berechnet. Erschreckt flattern dann die Tauben auf und suchen sich einen neuen Unterschlupf in der nächsten Krankabine oder auf Handyantennen, die keine Signale mehr senden.
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