Christian Teissl
Ein Mann der mir ähnlich sieht
wie mein Spiegelbild
geht an einem Regentag im Oktober
eine endlose Ausfallstraße entlang
Jeden Augenblick hält er Ausschau
nach einer Gelegenheit
kehrt zu machen
doch er findet sie nicht
gelangt an kein Ende –
nicht an das Ende der Straße
nicht an das Ende des Regens
Nach einer Weile
bedeuten Kirchenglocken
dem Mann der mir ähnlich sieht
wie mein Spiegelbild
dass es Mittag geworden ist
Aufatmend ohne zu zögern
lässt er die Ausfallstraße allein
befreit sich von ihr
nimmt die nächstbeste Straßenbahn
die ihn stadteinwärts führt
und besorgt sich nach langer Fahrt
bei einem Regenschirmmacher
ein neues Gesicht
Dann betritt er
die größte Brücke der Stadt
bleibt auf ihr stehen
und streckt sein neues Gesicht
das dem meinen nicht ähnlich sieht
lange und lächelnd
dem Regen entgegen
Christian Teissl 11.04.2008
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Lyrik
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