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Alban Lefranc
Angriffe

Drei Romane, eine Attacke

Alban Lefranc | Angriffe
Alban Lefranc
Angriffe:
Fassbinder, Vesper, Nico
Drei Romane
mairisch Verlag 2008
Alban Lefranc hat einen Roman geschrieben, besser gesagt: drei Romane. Drei Romane, drei radikale Kunstentwürfe, ein Rund­umschlag. Zunächst das wohl gelun­genste Kabinett­stück der Trilogie und zwar: „Angriffe auf dem Weg im Schnee am Abend.“ Wunderbare Metaphern finden sich in dieser atmosphärisch dichten Prosa. Fassbinder, wie er seine kreativen Universen vermisst, betäubt den Berlin Alexander­platz (Döblin) auf und ab schreitet, seinen dicken Wanst gegen das Leben stemmt: „Er gelangte zu den Arbeiter­vierteln, und ohne zu wissen, warum, überkamen ihn die Tränen, Tränen für das in den Bauch­läden berstende Leben, für die Farben von Früchten und Tüchern, für die rauen Stimmen, in denen die Seele gegen die Vorder­zähne schlug, für das Wirr­warr aus Gesten und Krakeel an den winzigen Markt­buden.“

Ganz schwindelig wird einem von Lefrancs litera­rischen Karussell­fahrten, manchem wird vom Drehwurm wohl leicht übel werden und sicher ist da immer auch eine Portion Übermut am Werk. Allerdings: Genau das macht die vorliegende Arbeit so brilliant. Die maßlose Kreativität Fassbinders korres­pondiert mit meta­phorischen Maß­losig­keiten und ersteht erst so vor Augen. Durch die Brille des Film­schaffenden flimmert ein radikaler Kunst­entwurf. Rimbaud, Döblin mögen Pate gestanden haben, Versatz- und Fundstücke blitzen auf, Gefundenes: „Die Abnutzung mancher Gegenstände und Haus­halts­geräte kann zu Unfällen führen. Besondere Vorsicht ist bei nicht isolierten Griffen an Töpfen und Pfannen geboten …“

Lefranc reibt sich ab am Körperlichen, dem Verrottenden, denn: „der Körper ist eine Maschine“, also ungenügendes Konstrukt und doch in der Lage, immer wieder hehre Kunst aus seinem Gallerhirn hervorzuquetschen. In seiner Begrenztheit ist der Künstler sterblich, allein durch seine Phantasie wird er omipotent, gottgleich. Größe und Wahn geben sich die Klinke in die Hand, auch Rainer (Fassbinder) macht ständig Scheisse zu Gold, etwa „diese Boxerstory […] Hollywood den Arsch stopfen, mit dem, was Hollywood am meisten Panik macht: mit einem schönen schwarzen Schwanz. Einen Schwarzen brauche ich dafür, einen Siegertyp, einen arroganten Schwarzen, einen Schwarzen wie mich, den nichts aufhält […].“

Roman Nr. 2. Titel: „Münder und Waffen“. Ebenfalls eine Kampfansage. Bernward Vesper, Sohn des Nazibarden Will Vesper, Liebhaber Gudrun Ensslins, Vater eines gemeinsamen Kindes. Wieder Auflehnung und gleichzeitiger Ritt in den Abgrund. Wieder ein Abgesang mit hochpoetischen Momenten, musikalisch mäandernde Sätze, Abarbeiten am Vater und zuletzt die ernüchternde Feststellung, „dass er [Sohn Vesper] im Rausch, in den letzten Ausläufern der Morgenröte, nicht immer lächerlich war.“

Es sind die tragischen Nachkriegs­gestalten, so auch im letzten Teil der Trilogie, wo wir auf Christa Päffgen treffen, später bekannt als Sängerin Nico (Velvet Underground). Die schwachen Väter, Nazis, Loser allesamt, sie sind verstummt, „imaginäre Väter stecken in Hülle und Fülle in ihrem Magazin, doch kein einziger davon ist echt“. Radikale (Lebens-)Kunstkonzepte Überlebensstrategien, auch als Gegen­entwürfe zur bundes­republi­kanischen Spießigkeit, die, soviel wird spätestens nach dieser Lektüre klar, noch immer um uns geistert. Die Löchrigkeit des eigenen Egos, notdürftig gestopft mit einem völlig hypertrophierten Selbstanspruch, mit allerhand Drogen. Jörg Fauser im Istanbuler Drogen­sumpf kommt mir in den Sinn. Die Frage, warum das alles so erschreckend aktuell erscheint. Steht da eine erneute Abrechnung bevor? Natürlich sind diese Entwürfe, wie auch die Sprache des vorliegenden Werks, nicht selten bis zur völligen Exaltiert­heit überdreht, doch genau diese teils schwer erträgliche Dichte macht die Last der ersten Nachkriegs­künstler­generation umso spürbarer. Kein leicht zu konsu­mierendes Bett­hupferl ist diese Arbeit, eher ein Menetekel in Richtung Zukunft, eine sehr gegen­wärtige Rückschau und eine durchweg partei­ische Liebes­erklärung an die Kunst.
Alban Lefranc, geboren 1975, lebt als Schriftsteller und Übersetzer in Berlin und Paris. Er ist Chefredakteur der deutsch-französischen Kulturzeitschrift La mer gelee.

Daniel Ketteler     16.01.2009    

Daniel Ketteler
Lyrik