Ganz schwindelig wird einem von Lefrancs literarischen Karussellfahrten, manchem wird vom Drehwurm wohl leicht übel werden und sicher ist da immer auch eine Portion Übermut am Werk. Allerdings: Genau das macht die vorliegende Arbeit so brilliant. Die maßlose Kreativität Fassbinders korrespondiert mit metaphorischen Maßlosigkeiten und ersteht erst so vor Augen. Durch die Brille des Filmschaffenden flimmert ein radikaler Kunstentwurf. Rimbaud, Döblin mögen Pate gestanden haben, Versatz- und Fundstücke blitzen auf, Gefundenes: „Die Abnutzung mancher Gegenstände und Haushaltsgeräte kann zu Unfällen führen. Besondere Vorsicht ist bei nicht isolierten Griffen an Töpfen und Pfannen geboten …“ Lefranc reibt sich ab am Körperlichen, dem Verrottenden, denn: „der Körper ist eine Maschine“, also ungenügendes Konstrukt und doch in der Lage, immer wieder hehre Kunst aus seinem Gallerhirn hervorzuquetschen. In seiner Begrenztheit ist der Künstler sterblich, allein durch seine Phantasie wird er omipotent, gottgleich. Größe und Wahn geben sich die Klinke in die Hand, auch Rainer (Fassbinder) macht ständig Scheisse zu Gold, etwa „diese Boxerstory […] Hollywood den Arsch stopfen, mit dem, was Hollywood am meisten Panik macht: mit einem schönen schwarzen Schwanz. Einen Schwarzen brauche ich dafür, einen Siegertyp, einen arroganten Schwarzen, einen Schwarzen wie mich, den nichts aufhält […].“ Roman Nr. 2. Titel: „Münder und Waffen“. Ebenfalls eine Kampfansage. Bernward Vesper, Sohn des Nazibarden Will Vesper, Liebhaber Gudrun Ensslins, Vater eines gemeinsamen Kindes. Wieder Auflehnung und gleichzeitiger Ritt in den Abgrund. Wieder ein Abgesang mit hochpoetischen Momenten, musikalisch mäandernde Sätze, Abarbeiten am Vater und zuletzt die ernüchternde Feststellung, „dass er [Sohn Vesper] im Rausch, in den letzten Ausläufern der Morgenröte, nicht immer lächerlich war.“ Es sind die tragischen Nachkriegsgestalten, so auch im letzten Teil der Trilogie, wo wir auf Christa Päffgen treffen, später bekannt als Sängerin Nico (Velvet Underground). Die schwachen Väter, Nazis, Loser allesamt, sie sind verstummt, „imaginäre Väter stecken in Hülle und Fülle in ihrem Magazin, doch kein einziger davon ist echt“. Radikale (Lebens-)Kunstkonzepte Überlebensstrategien, auch als Gegenentwürfe zur bundesrepublikanischen Spießigkeit, die, soviel wird spätestens nach dieser Lektüre klar, noch immer um uns geistert. Die Löchrigkeit des eigenen Egos, notdürftig gestopft mit einem völlig hypertrophierten Selbstanspruch, mit allerhand Drogen. Jörg Fauser im Istanbuler Drogensumpf kommt mir in den Sinn. Die Frage, warum das alles so erschreckend aktuell erscheint. Steht da eine erneute Abrechnung bevor? Natürlich sind diese Entwürfe, wie auch die Sprache des vorliegenden Werks, nicht selten bis zur völligen Exaltiertheit überdreht, doch genau diese teils schwer erträgliche Dichte macht die Last der ersten Nachkriegskünstlergeneration umso spürbarer. Kein leicht zu konsumierendes Betthupferl ist diese Arbeit, eher ein Menetekel in Richtung Zukunft, eine sehr gegenwärtige Rückschau und eine durchweg parteiische Liebeserklärung an die Kunst.
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Daniel Ketteler
Lyrik
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