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David Krause
novemberlied es ist ein abend im november und ich suche das lied das wir nie hatten. novembermorje von bap löst sich auf wie das orchester nach den umarmungen. ein geiger fährt mit dem fahrrad fort; im fahrtwind wehen zeitungen und laub nach und dein brief der sich löst. und ich erschrecke: lass los steht darauf geschrieben als wäre es jetzt erst erschienen als hätte es nie dort gestanden als wärst du nie gegangen. lass los wie du es riefst als wir ihn steigen ließen: den drachen aus papier und das seil das wir hielten zitterte wie eine saite; wie du. lass los wie du es flüstertest als wir träumten am stillgelegten gleis. wo es endete begann die sprache: reisten wir. leere orte mochtest du am liebsten: sturmländer voller resonanz. ich schreibe alles auf doch keine klänge kehren zurück denen ich lauschen könnte um mich zu erinnern. nur das herz das weiterschlägt die hand die die worte schreibt: november immer wieder november in der stille dieser wohnung. hier sprachen wir und sprachen und stunde um stunde wurde es dunkler um uns sprachen wir uns tiefer in die nacht; in einen kokon den wir nur schweigend verlassen könnten schreibend uns entwebend mit den fingern in der luft. wir wussten wir würden uns zerreißen beim griff nach dem schalter fürs licht. so blieben wir im bett und der regen begann. novemberregen erinnert mich an ein klavier das nun verhüllt in einer dunklen wohnung steht und auf dem du spieltest wie regen nach dem sturm fortdauerte in den bäumen im garten. und ich wartete dass ein lied entsteht dass du einmal mehr spielst als regen. novemberregen erinnert mich an einen nachmittag im hörsaal als ein professor von wende-romanen sprach. ich höre noch das leiserwerden seiner stimme beim erzählen von den jahren in berlin den tagen im regen an denen er mit freunden am fenster von freiheit flüsterte; und die studenten waren biographen geworden und ihre stifte tanzten über das papier wie sie auf den straßen am späteren abend. novemberregen erinnert mich an die augenblicke wenn die sprache sich vergisst; wenn das wasser aus den betten steigt um das umland zu erkunden glitzernd den strömungen entflohen. novemberregen erinnert mich an straßenbahnen in ehrenfeld morgens um vier uhr langsam fahrend in denen ich an dich dachte: tropfen auf der scheibe des bewusstseins: kaum gedanken mehr bewegungen durch die sich das licht brach; all die fahrten in den schlaf; endstationen im regen wie zurückgelassene träume voller plakate graffiti und eingeritzten namen. endstationen die nichts zu tun hatten mit uns und wo ich von uns schreiben konnte. novemberregen erinnert mich wie du am letzten tag im bett lagst wie wasser umfasstest du mich. noch immer höre ich deine nackten füße dieses plätschern die straße hinunter wenn novemberregen fällt. wenn novemberregen fällt denke ich wieder dich fühlen zu können. doch da finger nicht mehr reichen bleiben nur worte um dich zu berühren. und dann löste sich der kokon von mir. meine augen sahen sich im spiegel. die finger ertasteten das kalte laken und den gefalteten brief den weißen schmetterling auf dessen flügeln lass los geschrieben stand. ein ohr hörte die domglocken läuten das andere hörte durch stoff und federn wie stark das herz schlug in dieser stunde. vielleicht war der novemberregen das lied das ich suchte. vielleicht habe ich nicht die wahl wann ich mich erinnern will; vielleicht wussten die geigen in den koffern nie mehr als wir von letzten tagen nie mehr von der macht letzter worte als der novemberregen. und das orchester kommt wieder zusammen und alles findet wieder seine form und in den morgen gehen leise lieder. meine füße berühren die straße in der luft vibriert ein zweiklang. wir halten das seil des drachens. wir warten wann der sturm kommt. wir warten und irgendwann lässt du los für L.
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