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Rainer MalkowskiKlare Muster für UnklaresKritik
Es gibt nur wenige Bücher, die groß angekündigt mit Spannung erwartet werden und dann doch nicht erscheinen. Ein solches, ungeschriebenes oder zumindest nicht veröffentlichtes Buch stammt von Rainer Malkowski. Im Frühjahr 1980 startete der Suhrkamp Verlag die Neue Folge seiner legendären edition suhrkamp. Als Band 29, der in grellen Popfarben gehaltenen schmalen Taschenbücher, bewarb der Verlag eine Erzählung von Rainer Malkowski mit dem Titel „Das weiße Schloß“ mit einem knallgelben Cover. Ich war seinerzeit sehr gespannt darauf, von diesem ausgezeichneten Lyriker Prosa zu lesen. Doch diese Erzählung wurde bis heute nicht publiziert. Der 1939 in Berlin geborene Schriftsteller, der zeitweise in Düsseldorf eine große Werbeagentur betrieb, bevor er sich relativ früh nach Brannenburg am Inn zurückzog, beschränkte sich bis zu seinem Tod im Jahre 2003 so gut wie ausschließlich auf Lyrik. Dreißig Jahre später durchforstete ich seine gesammelten Gedichte nach einem Hinweis auf das weiße Schloss. Ein Indiz, dass die gesamte Erzählung im Papierkorb gelandet ist, liefert das folgende Gedicht aus dem 1986 erschienen Band „Was auch immer geschieht“: „Ein paar tausend Worte, / für Abfall erklärt. // Käme ein anderer, er machte / aus einem Bruchteil / ein Lied.“ Malkowski machte aus Alltagserlebnissen und -eindrücken mit wenigen Worten eingängige Gedichte. Sei es eine Dame im Museum, eine Dorfstraße im Sommer, Naturimpressionen oder Sonntagsspaziergänger. Häufig ist auch die Situation am Schreibtisch des Schriftstellers selbst Ausgangspunkt für poetische Reflexionen. Mehrfach taucht dabei eine Fliege auf, die er nicht als lästig betrachtet, sondern mit einem eher verwunderten Blick auf diese filigrane Schöpfung. Auch wenn einige Texte mitunter sehr prosaisch wirken („Das Loch in der Schuhsohle / war wirklich ein Loch. / Ich konnte einen Finger hindurchstecken.“), so finden sich in seinen insgesamt neun Lyrikbänden doch immer wieder poetische Kleinodien mit einem hohen Haltbarkeitsdatum: „Es ist nicht, was es ist. / Es ist das, was ihm nachsinnt. / Es ist ein Drittes, das beides / unaufhörlich erdenkt.“ Oft enthalten seine Gedichte Anekdoten und Aphorismen, gelegentlich sind sie wenig mehr als Notate, die er mitunter auch selbst so bezeichnet: „Notiz im Altweibersommer“, „Notiz im November“, „Gehender, Notiz zu einem Torso“, „Arbeitsnotiz“. Dazu gesellt sich eine Vielzahl von Reisegedichten, die das thematische Spektrum erweitern. Die Lebenslust, die seine Gedichte spiegeln, fokussiert beispielsweise im Titel seines Bandes „Einladung ins Freie“, weicht im Laufe der Jahre einer gewissen Alterweisheit, die Texte werden dunkler und leicht resignativ, aber auch dankbar für Erlebtes. Eine Augenkrankheit macht dem Autor spürbar zu schaffen. Insgesamt wirken Malkowskis Gedichte ausgeprägt unangestrengt, obwohl sie fein gearbeitet sind. Und genau darin liegt die Meisterschaft ihres Autors, der auf jede Hermetik und schwere Symbolik verzichtet und doch mit seinen luziden Texten, die das Epiphanische im alltäglichen Leben sichtbar machen, über eine „Neue Subjektivität“, der er literaturhistorisch zumeist zugerechnet wird, hinausreicht. In seinem als „Unbescheidener Wunsch“ titulierten Gedicht formuliert er: „Aus einem Knopf, / einem Kamm, dem drei Zähne fehlen, / aus einer Pellkartoffel / sollte sie zu machen sein: die Poesie. // Nicht als Trittbrettfahrerin / vorformulierter / Gesinnung oder / Bedeutung. // Nicht aufsitzend / huckepack / den großen Gegenständen.“ Diesen Wunsch hat er sich selbst erfüllt. Oder müssen wir sagen: wurde ihm erfüllt? Dem Wallstein Verlag gebührt das Verdienst, diesen zeitgenössischen deutschen Dichter mit einer Gesamtausgabe seiner Gedichte vor dem Vergessen zu bewahren. In seinem lesenswerten Nachwort würdigt Nico Bleutge Malkowskis Gedichte als „Erkenntniswerkzeuge“ und stellt seine Kunst heraus, „Sehen und Denken, Großes und Kleines ins Gleichgewicht zu bringen.“
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Henning Heske
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