Jan Wagner
der veteranengarten
„Again he fighting with his foe, counts o'er his scars,
Tho' Chelsea's now the seat of all his wars,
And fondly hanging on the lengthening tale,
Reslays his thousands o'er a mug of ale.“ – Sir John Soane, Inschrift im Summerhouse
des Royal Hospital, London –
die veteranen wachsen aus dem gras
empor in ihren ehrenuniformen;
die schweren messingknöpfe blinzeln matt
ins späte licht des nachmittags zurück.
sie wachsen aus dem gras wie in den mythen
das heer der ausgesäten drachenzähne.
die veteranen zeigen ihre zähne
auf fotos, die so braun wie altes gras
geworden sind – vergilbter noch als mythen.
der kampf, sagt jener grieche, ist der formen
beginn, und alles führt zu ihm zurück.
die veteranen steigen auf das matt-
erhorn ihrer erinnerung, das matt
im gegenlicht erstrahlt. die falschen zähne,
die längst schon in der ebene zurück-
geblieben sind. fast unbemerkt im gras
die enkel, glücklich mit geringsten formen
des spiels - ein gegensatz zum kaum bemühten
versuch der veteranen, sich beim mythen-
umrankten spiel der könige ins matt
zu setzen. (die die weißen steine formen
benutzen elfenbein und walroßzähne.)
im veteranengarten wächst das gras.
die schnecke gleitet in ihr haus zurück.
die veteranen denken oft zurück
und kaum nach vorne. so entstehen mythen.
die enkelkinder spielen auf dem gras
in das die kameraden bissen, matt
vom kampf. zu leben heißt: man muß die zähne
zusammenbeißen. und das schicksal formen.
die schwestern tragen weiße uniformen
und sind doch warm. sie rollen sie zurück
ins haus wenn erste sterne ihre zähne
entblößen, und ein ganzes heer von mythen
folgt ihnen auf die zimmer. wo es matt
war vom gewicht erhebt sich nun das gras.
die dunklen formen wandern übers gras –
man mag an zähne denken. oder mythen.
der könig bleibt zurück in seinem matt.
Jan Wagner 08.02.2007
aus: Guerickes Sperling, Berlin Verlag, Berlin 2004
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