Jinn Pogy
Nackter Hohn. Nachts in D die Jalousie hochziehen: die Alte drüben auf der anderen
Seite in ihrem faltigen Heim, in ihrem Aldi-Nachthemd, in ihren bröckeligen
Gewohnheiten und ihrem durchgelegenen Rücken, mit ihrem Alten, der nie
hochkommt, nie runterkommt, den sie schön ordentlich hinter den Rüschen runterputzt
– all das zu den Altlasten stemmen, dafür zahlen wir doch die Steuern und:
zuschütten, was drüberkippen und anzünden oder runterspülen, was wir nicht mehr
gebrauchen können, das vom Wühltisch, das Stehrumchen, was nicht handlich und
glatt, nicht willig – nur störrisch ist, und viel zu laut, die verrauchte Alte, die verbrauchte
Alte, mit ihrem alten Scheiß, ihrem alten Schweiß, ihrem überflüssigen Weltverhaftet
sein. Das ästhetische Wunder hält sich: Braune Strümpfe, cremefarbene Schuhe,
Borsten am Kinn als könnte sie sich damit den Alten vom Leib halten, der sich
morgens im Spiegel selbst begrunzt. Vor dem Hässlichen die Jalousie runterlassen,
bis auf den Boden, bis in den Boden hinein, das ganze Bild abhacken und zuteilen:
das Alte ausliefern, einliefern, dafür werden doch die Steuern gezahlt. Den Fernseher
raus schmeißen, mit all den dummen Fressen darin, vielleicht trifft man ja mal einen
von denen auf der Strasse. Ihre Töchter, von denen eine Immobilienmaklerin und die
Andere Harz4 ist, die beide bei Tschibo Ohrringe und NegerKaffee einkaufen, gehen
noch heute am Rockzipfel spazieren und kichern und lassen sich von Vati befingern
wenn es Wahltag ist – dann aber! die Scheiß Politiker, die dummen Nachbarn, die man
immer vom Fenster aus sieht: so geht's nicht, nicht mit uns! Und zurück zu
gewichtigerem: zum Groß-, Größer-, Super-Markt, tüchtig und billig, Fleisch aus dem
Sonderangebot. Ein Schwein ernährt eine ganze Familie. Und: zu Hause das
Cellophan aufreißen und das nackige Stück ordentlich in die Pfanne hauen.
Erschienen in: um[laut] 08, Köln 2010
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Jinn Pogy
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