Joachim Sartorius
BEIM SCHREIBEN
Du bist nicht da, mein Tod.
Auf dem Schreibtisch Hefte, Gebetsketten,
Bücher, eine glasierte Kachel aus Samarkand,
ein Notebook, viele kleine dunkle Spiegel.
Die Spiegel, das sind die Worte, zum Spiegeln,
zum Preisen, zum Verletzen, zum Schädelöffnen.
Und da ist Schleifpapier und nach dem Schleifen
Löschpapier, ich weiß nicht ein noch aus.
Das Gedicht versteht mich nicht.
Niemand will eine schnelle Nähe. Das Gedicht
ist ein Traum in Jod. Es gab Wunden.
Die Worte splittern. Der Traum quillt im roten
Dickicht hoch, der Schmetterling
ein Gespenst der Raupe. Ich schaue nur zurück,
das Gedicht will nach vorn blicken, will zwei Flügel
haben und verbrennen. Es wartet, dass ich zündele.
Was bringt die Worte zum Leuchten?
Ich nehme die Augenbinde ab. Die Musik
wird lauter. Wo sind deine Augen, wo sind
meine Augen? Ich ordne die Dinge auf dem Tisch.
Die Kerze rußt. Die Spiegel spiegeln nur sich selbst.
Was wissen wir vom Verlangen? Spiegeln auch wir
nur uns selbst? Mein Gesicht im Fensterglas:
Ein von Lamellen schraffierter weißer Schmetterling.
Du bist noch da, mein Tod
Joachim Sartorius 24.04.2009
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Lyrik
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