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Jörg Bernig
blume engel schiff
für Kristin
auf der veranda sitzt du und hinter dir schwimmt das goldgelb der dahlien
die kinder spielen etwas unter den bäumen man kann sie kaum sehen
sieh sagt die ältere das ist ein apfel und die jüngere sperrt ihren mund auf
nie sah mehr ich an wissen von vorvergangenen tagen als bei diesen beiden
aus dem buschwerk wächst ruhe hinter das haus das ist das glück des geräusches
das einmal ausbleibt da sitzt du auf der veranda und hinter dir und den dahlien
spielen unter den bäumen die kinder du schaust nicht von deinem buch auf wie schön
dein kopf im licht steht und auch die seiten leuchten dich an jetzt ich ruft die nächste jetzt ich
wer das malen könnte der hätte sein billet zu den göttern der käme an der torwache vorbei
für wenn sie schießen sagtest du damals und schobst deinen ausweis tief in die tasche
damit sie wissen wir sind gewesen ihrem papier glauben sie immer man weiß auch nicht
was wird und wer uns findet aber ich hoffe alles wird gut hier ist Rhodus wir springen
und zwei männer hieben ein punkt sechs auf die glocke in Leipzig omnia vincit labor
aber du bist die sanfteste unter den dahlien und keine so goldgelb wie du halt meine hand
welcher finger fährt durch das adreßbuch der menschheit so lässig schaut weg wie der lehrer
sucht namen sehr unbekümmert wirft sie herum und sagt dann noch tanzt denn musik ist immer
ihr müßt sie nur hören ihr müßt es nur wollen sonst schlag ich mit taubheit noch eure kinder
und das sagt ihnen weiter gilt es gilt auch für sie sie mögen noch spielen unter den bäumen
eine spanne von zehn jahren von zwanzig ist schnell um über kurz oder lang kommen die kinder
nach haus aus der schule die geschichte im buch das alles so festhält wie's war oder so
ähnlich zumindest und wir werden sagen wir kennen Goethe und waren dabei das foto hier
in der mitte des platzes schaut hin das ist das goldgelb der blume die eure mutter damals schon war
wie hätte ihr jemand ein leids nein undenkbar da hinten übrigens geht aus dem bild Benjamins engel
du auf der veranda dein kopf im licht die seiten des buchs leuchten dich an jetzt ich jetzt ich
das ist meine stimme und ich faß deine hand als wär die veranda ein schiff und sehr schwer die see
sechs uhr schlägt die glocke wie gestern wie letzte woche wie sagen wir vor dreihundert jahren
da blickst du auf hörst zu dem läuten dem zählreim der kinder sprichst: sieh sie dir an wir leben
Aus: billett zu den göttern. Edition Toni Pongratz: Hauzenberg 2002.
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