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Jürgen Brôcan
NACH DER ANGST VORM TOD IST ES SCHÖNHEIT,
die uns antreibt. Holzkohle, Knochenkohle auf Fels. Tief
verborgen in den Eingeweiden der Erde, ein Rätsel
nach dreißigtausend Jahren –– die Kraft
der polychromen Tiere blieb, aus-
geatmete Bilder, mit dem Mund versprüht, zum Klang
der Stalagtiten. / Oder diese Jahre akribischer
Beobachtung: Studien zu Schwungfedern, zu Flügel-
schlägen, „Kreis-, Fall- und Reflex-
bewegungen“ & der Wirkung von Winden: sie waren nötig,
damit Leonardo eine Zeichnung anfertigte,
um den Vogelflug zu imitieren. / Oder die Polynesier,
die nachts nach dem Sternenpfad navigierten
& Stabkarten hinterließen –– jedes Kreuz
eine Kabbelung –– , ebenso schön wie nützlich: das Ideal
von William Morris lange vor Morris
umgesetzt. / Oder die Achat-Druse: das Werk
eines anonymen Meisters; wie Frührot zu bestaunen,
sogar wenn „die ganze Schöpfung stöhnt
und in Geburtswehen liegt“.

aus: Ortskenntnis. Gedichte 1996-2006. München (Lyrikedition 2000) 2008.

Jürgen Brôcan    21.10.2007   

Jürgen Brôcan
Lyrik
Ausgangspunkte