Julia Dathe
Suppenküche
Dieses Restaurant mit unaussprechlichem Namen, wo am Abend
Hunderte Tische von noch mehr Kellnern bedient werden,
da hocken Polizisten mit Krankenschwestern auf Nachtschicht.
Sie trinken Bier aus großen Flaschen und rauchen Zigaretten.
Köche tanzen, mit erloschenen Kippen im Mundwinkel,
in ihrer offenen Küche um eine Batterie dampfender Töpfe,
auf dem Boden stehen Plastikwannen mit Essensresten.
Die Kellner müssen sehr viel laufen, sie bringen die Suppeneinlagen:
Tofustreifen, Basilikumstängel, rohe Wachteleier, Pilze, Wildpilze,
fleischige, säuerliche Hüte und Stiele, gebraten, gedämpft, gekocht,
korianderartiges Kraut, Stücke von geräuchertem Käse, Schoten, Ingwer,
eine große Platte rohes Fleisch, Schinken, Speck von Nacken und Bauch,
die Suppe kommt zuletzt.
Die Brühe kocht fast noch, alles wird mit schnellen Gesten untergerührt,
Dann sitzt man und löffelt und müht sich, die pochierten Eier zu erhaschen.
Die Menschen ringsum sind lebendig und echt, auch das Geräusch vom Nebentisch,
wenn wieder einer den Rotz hoch zieht und unter den Stuhl spuckt.
Viel Bier ist schon geflossen und scharfer, weißer Schnaps, eine baldige Schlägerei bleibt aus.
Bekanntlich isst das Auge ja mit, und auch das Ambiente zählt viel und
was das angeht, spielt diese Suppenküche in der Champions League ganz oben mit.
Drei Sterne allein für den Wachmann, der in Uniform herumlungert und
aus den Nasenlöchern Ringe aus Rauch bläst.
Die Jungens, unerfahren und lebenshungrig, halten Fast-Food-Ketten für
eine coole Form, ein junger Arbeiter führt sein geliebtes Mädchen zu McDonald's aus
und verprasst mit ihm dort seinen kargen Lohn von drei, vier Tagen.
Das sind Feldstudien der kulturellen Vielfalt, gewiss, aber doch nur vorbereitende Exkursionen,
wie sie der junge Mann von Welt unternimmt, um in der Folge als Gereifter heimzukehren.
Liebe, Natur, Reisen und Zeit. Junge, Junge,
es gibt kein Happy-End, auch wenn es vielleicht so aussieht.
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Julia Dathe
Prosa
Lyrik
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