Julia Dathe
Bahnhof
(aus dem Zyklus Westen )
Im Juni hatte man mir beigebracht, dass der Frankfurter Bahnhof gleich dem Leipziger aussähe. Gleich aussehen hieß baugleich. Im September dann lernte ich wieder etwas über Bahnhöfe, nämlich dass der Leipziger dem Frankfurter gleich aussähe. Und die Lehrerin wollte das von mir bestätigt wissen, ich würde ja beide kennen. Gleich aussehen hieß baugleich. Baugleich hieß gleich aussehen. Ich rieb die frische Narbe auf meinem Knie, meine erste Westnarbe. Der Zug bremste an einem großen See an der Strecke. Ein Koffer fiel auf mein Knie. Der sprang wie mein Knie davon auf. Ansonsten gab es keine weiteren Verletzten. Ich sagte Kopfbahnhof und ich sei mir da nicht sicher. Baugleich hieß gleich aussehen. Der Frankfurter sei aber innen bunt. Gleich aussehen hieß baugleich. Sackbahnhof rief ich hastig hinterher und lernte, hier gab es Sternchen und keine Bienchen. In der Pause musste mir Jan von Knight Rider erzählen. Man hatte meinen Eltern zwar einen Fernseher geschenkt, aber wir empfingen noch kein RTL. Ich war Fan von David Hasselhoff, seine Lieder fand ich unheimlich rockig. Jan erzählte dann sehr viel von K.I.T.T. und weniger David Hasselhoff. Weil der als Michael Knight nicht sang, konnte ich das gerade so verkraften.
Als ich Jahre später, das Auto war in der Werkstatt, den letzten Turboboost hatte es nicht ganz so gut überstanden, die Strecke Frankfurt Leipzig mit dem Zug fuhr, war der Leipziger Bahnhof der schönere.
|
Julia Dathe
Prosa
Lyrik
|