Lisa Fritsch
Gabrielle und Julienne
In der Badewanne ist Gabrielle gegen ihre Schwester wehrlos. Julienne reißt ihr das Hemd vom Körper und wirft es in die Wanne. Gabrielle versucht, auf sie einzuschlagen, aber vergeblich. Dann hat sie nicht mehr die Kraft dazu. So geht es mir, will sie sagen, da drückt ihr Julienne einen Kuss auf die Lippen und Gabrielle erwacht.
Louvre, zweiter Stock, Richelieu-Flügel, Saal 10. Das Bild eines unbekannten Malers aus der Schule von Fontainebleau um das Jahr 1600.
Zwei Frauen in einer Badewanne. Ihre hoch frisierten Haare vertragen kein Badewasser. Sie stützen ihre Arme auf den Wannenrand, der mit einem hellen Tuch bedeckt ist. Rote Seidenvorhänge fallen seitlich herab.
Man muss schön sein. Nein, du musst schön sein – von Kopf bis Fuß das Schönheitsideal deiner Zeit verkörpern. Jedes Mal eine auferlegte Prozedur, lange geübt, wie es sich gehört. Die Augenbrauen sind nachgezogen, die Lippen und Brustspitzen im gleichen Rot. Schminke über Gesicht und Oberkörper. Das Bleiweiß auf der Haut lässt kaum erahnen, wie du wirklich aussiehst, aber blass musst du sein.
Worüber unterhaltet ihr euch? Und warum, Gabrielle, seid ihr auf diesem Bild so makellos, elegant, puppenhaft und doch verwegen? Deiner Schwester Julienne, der Herzogin von Villars, stehst du in nichts nach. Du sitzt ihr in der Wanne gegenüber. Sie berührt deine Brust, sie streichelt deine Haut, während du mir einen Blick zuwirfst und mir den Saphirring zeigst. Es ist der Ring des Königs. Er hat ihn dir zur Verlobung geschenkt. Sein Krönungsring gehört jetzt dir.
Der liebestolle König meint es ernst. Er drängt zur Hochzeit. Seine Ehe mit Marguerite von Valois lässt er trotz der päpstlichen Einwände in Rom auflösen. Er ist im Begriff, die größte Dummheit seines Lebens zu begehen, sagen die Leute und trotzdem ist er dazu entschlossen. Vielleicht wirst du in wenigen Wochen rechtmäßige Königin. Alles spricht dafür. Du bist zwar eine der schönsten, aber auch eine der am meisten gehassten Frauen deiner Zeit. Hast du die Schmähschriften gegen dich gelesen, die feindseligen Blicke gesehen, die Verwünschungen und die derben Scherze gehört? Der König ist ja ein braver Mann, meinen die Menschen auf der Straße, aber diese Hure wird uns ruinieren.
Texte aus: Wannen Wonnen. Sonderzahl Verlag.
|
Lisa Fritsch
Texte
Interview
|