eje winter
liebesland
Verwunschene Gärten
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eje winter
liebesland
Gedichte
POP Verlag 2006
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eje winter beschränkt sich in ihrem Gedichtband „liebesland“ auf die wesentlichen Themen. Wie der Titel bereits vermuten lässt, spricht sie viel von der Liebe – diese beinhaltet Lust ebenso wie Vergängliches. Die äußere Kulisse bilden zumeist Felder, Gebirge, Hügel, Hänge und Gärten; es sind in sich geschlossene Mikrokosmen, die von den Gedichten entworfen werden. Da gibt es Zwerge, Fabelgetier, verzauberte Pilze und dergleichen, doch nicht nur diese Wortwahl erschafft die verwunschene und geheimnisumwitterte Atmosphäre, in der sich die Gedichte bewegen. Es sind auch die gewählten Thematiken, die in eje winters Welt führen, zu der es nur ein kleines Eintrittstor gibt. Dieses Tor zu finden, ist die Voraussetzung zum Eintauchen in jene Welt, in der man mit den Augen eines Kindes das Erwachsenwerden in der Vergangenheit sieht. Begrenzungen werden aufgehoben.
eje winters Welt ist nicht immer schön. Da werden schon mal Vergleiche wie „Gasbrand“ und „Leibesstrafe“ hervor geholt, die Liebe wird „filetiert“ oder aber „das Haustier verreckt auf Asphalt“. Oft grenzt das Beschauliche ans Grauenvolle, und das mit einer Normalität, die diese Kluft noch eindringlicher macht: häuser / zwischen wasseradern / fallengelassen / schwellen geputzt / küchen bewohnt / reichlich salz in der kanne / zu lesen den baldigen tod / des huhns vom nachbarn (aus: „landleben vorgestellt“).
Der erste Abschnitt des Buches („blütenverklebt unsere augen“) ist beobachtend gehalten, das Ich tritt in den Hintergrund, erscheint lediglich im „Wir“, das sich immer wieder unter die Beobachtungen mischt, auf gewisse Weise sich selbst beobachtend. Es ist ein ständiges Ankommen und Noch-nicht-angekommen-Sein, das diese ersten Gedichte des Bandes ausmacht: ... und der mann der noch / gar nirgends wohnt hockt im gras spricht mit / der frau... (aus: „landschaft“).
Im nächsten Teil („strohblumensträuße“) öffnet sich ein neues Kapitel. „Ich“ ist das erste Wort des ersten Gedichts in diesem Abschnitt, und es kommt einem vor, als hätte dieses Ich nur darauf gewartet, endlich Gehör zu finden. Es beobachtet ebenfalls, und es beobachtet viel. Trotzdem weiß es auch, wann es sich zurückziehen muss.
Es folgt „lieder immer wi(e)der die liebe“, und tatsächlich werden die Gedichte nun liedhafter, leben von Wiederholungen, neu Aufgegriffenem, Variationen. Auch optisch spielen einige der Gedichte mit einer Liedform.
Der vierte Abschnitt („und da öffne ich die augen“) ist der kürzeste, kurz wie das Heben der Augenlider, wie der Moment, der den Unterschied bedeutet zwischen Traum und Wachsein, zwischen Vorstellung und Realität. Er beinhaltet alles, was sein könnte und alles, was ist:
zärtlich zu verstehender text
dein haar riecht
weil du schon vorbereitungen
getroffen hast
nach dem gemeinsamen
abendessen ich kann
die zwiebeln vom tomatenextrakt
unterscheiden oberhalb meiner brust
liegt dein mund
zwischen uns stille
erinnert an glück und ebenso
an märzblasse berghänge
ob süd ob nord
„landschaften eigener art“ beschreibt eje winter sodann, und noch bedingungsloser als bisher muss der Leser sich hier auf alles einlassen, um nicht vorzeitig durch ein Hintertürchen aus eje winters Welt zu verschwinden. Sogar die Stärksten werden hier schwach: landschaften eigener art / etwa zimmer des schlafs / eiserne betten / so schütteres grün in den decken / da möchten soldaten / plötzlich verliebt in den frieden / sich niederstrecken zum sterben.
Schließlich sind wir - und die Liebe - eingezingelt, „von föhren umstellt“, so sagt es der letzte Teil des Bandes. Dort wird nach einem Ausweg gesucht ( vielleicht dass es so ginge / bei neumond aus den handstümpfen der engel / die letzten zuckerklümpchen brechen) oder auch der Lauf der Zeit wehmütig beobachtet ( in mir fliegen die jahre vorüber). eje winters Welt endet schließlich mit dem Tod, der „überall lagert“. War der Eingang zu dieser Welt noch schmal, so ist der Ausgang überall zu finden.
Der Band wirkt zwar durch die zum Teil nur eine Handvoll Gedichte enthaltenden Abschnitte und die gegen Schluss zunehmend inhomogene äußere Form der Texte etwas zerrissen, wird jedoch letzten Endes von der einheitlichen Bildsprache zusammen gehalten. Die Gedichte bergen viele Geheimnisse, an denen die Autorin den Leser nicht immer auf direktem Wege teilhaben lässt. So wird der Leser gefordert, sich auf seine eigenen Erfahrungen zu verlassen, um seine persönliche Bedeutung und Umsetzung für bestimmte Beobachtungssequenzen zu finden. Mit Glück verlässt er diese Welt keinen Augenblick zu früh.
Myriam Keil 26.06.2008
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Myriam Keil
Lyrik
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