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Jayne-Ann Igel
Umtriebe
Aus der Zeit in die Zeit
Kritik |
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Jayne-Ann Igel
Umtriebe
Gutleut Verlag 2013
Black Paperhouse Nr. 015, 56 Seiten
Das Buch im Verlag
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Dieser Band ist mit geschärften Sinnen geschrieben. Es ist Prosa, lyrische Prosa, auch schon mal mit Binnenreimen im dichten, verdichteten Text. Tagebucheintragungen, wie es Jayne-Ann Igel im Nachspruch sagt. In der Tat scheint einiges an Material dem Tagebuch entnommen, und das findet sich nicht nur in den politischen Gedichten. Die Dichterin erzählt Geschichten, die vom Glück handeln, und vom Schmerz. In dieser Hinsicht steht sie dem Serben Dragan Aleksic nahe. Aber anders als bei Aleksic, der seine Geschichten von den Personen her in einem Wohnort der Kindheit erzählt („Vorvorgestern, Geschichten, die vom Glück handeln“), sind es bei Jayne-Ann Igel die Kellernische, das Zimmer, der Eisen- oder Straßenbahnwaggon, ein Garten, der Wald oder der Schalterraum eines Postamtes. Und doch ist der Erzählton bei beiden gleichsam unaufgeregt und alle Geschichten im Buch sind ineinander verzahnt.
Wie aus dem Traum heraus kommen Momente der Wachheit ins Jetzt. Auch, wenn die Wahrnehmung dessen über Jahre zurück liegt. Das Ich erinnert sich, sinnt den Worten nach und arbeitet aus dem Wort heraus. „Festhaken“ nennt die Dichterin das, „vielfüßig“. Diese Texte erfordern Konzentration, dazu ein Abbremsen der Schnelligkeit der Rezeption. Nur dann öffnen sie sich, wie Räume – man geht von einem zum anderen, von Bild zu Bild. An die Erinnerungen sind Worte geknüpft, die diese Bilder transportieren. So kann man zum Beispiel vom Wort Abschiede zum Begriff Abscheider kommen und zur exakten sowie vom Wortlaut her sich anbietenden Definition dieses Begriffs: Vorrichtung zur Abscheidung von Teilen eines Stoffgemisches sowie zur blankgezogenen Klinge. Spannend auch, wie sie im Text „Worauf es hinausläuft“ über ein Schorfblättchen der Platanenrinde, die Zeitung (das Blatt) in einem Papierkorb, ein Buch (und dem Blättern darin) bis zu den Blattern und zurück zum Schorf und zum Begriff Scherf (für eine mittelalterliche Münze) kommt. In den Texten verliert sich der rote Faden dennoch nie. Die Umkreisungen, die aus dem phonetischen Gleichklang gebildet werden, ergänzen das Erzählte. Wie in „Zwangsläufig“, wo zwischen Schwarzlaub und Schwarzwild die Schwarzmalerei ihren Platz hat, die mit Jagd und Silberverzierung zu tun hat. Die klingende Münze als Fazit ist mitgemeint. In der Abhandlung über Schätze und das Schätzen schwingt sie ebenfalls mit. Was letztlich zur Aussage führt, dass das Gewissen im Kontext der Weltverwüstung eine Erfindung ist. Somit gleicht der Mensch einem Trüffelschwein, wie die Dichterin lakonisch feststellt.
„Wer dröselt wieder auf, was hier ineinander verknäult und sprech wie sprachhaltung mitbestimmt“, fragt sich Jayne-Ann Igel. Ich denke, mit der Lust am Wort und dem Sich einlassen auf die Korrespondenzen zwischen den Worten, Wortstämmen und Silben wäre das Dröseln ein Verlust. Die Fäden sind verknüpft mit der Vergangenheit, sie führen aus dem Bild und wieder zurück. Sprachgebilde sind diese Texte. Freilich aufbauend auf dem, was vorhanden ist: Sprichwörter, Redewendungen, Verse, Zaubersprüche. Orte sind nebensächlich, sie kommen mit ihrem Anfangsbuchstaben aus. Was zählt, sind Landschaft und Geschichte, Gerüche und Farben. Die Umtriebigkeit des Selbst. Die Nähe zu Friedrich Huchs aufgeschriebenen Träumen ist nicht zufällig. Auch nicht die häufigste Tageszeit: Nacht. Die Bewegung im Eisenbahnwaggon, das Stehen am Fenster, künstliches Licht, Farbreflexe. Wie bei ihm ist das Ich, der Zeitgenosse, die agierende Person, die ihre Um-Welt erfasst und mittels Sprache und genauer Beschreibung der Szenerie spiegelt. Die Kindheit und Jugend sind dabei wichtig. Manchmal sind es ganz kurze Episoden, wie die von den Bohnenkeimlingen in der Petrischale und der Ungeduld der Kinder. Immer reichen sie über das Geschilderte hinaus. Es sind Geschichten vom Jetzt, die das Gestern und Morgen mitmeinen. Es geht um Baumschulen, Redensarten, die Kopfarbeit oder das Kessellicht. Von der Erzählweise und vom Blickwinkel auf die Dinge sind das sehr eigene, eigenwillige Texte. Mit ihnen kann man sich in einer „kaverne neonlichts“ befinden oder „kosmischen passagieren“ begegnen, die man vom Sehen kennt. „Zwischen Nadelarbeit und Nadelwäldern“ ist es immer noch jenes Ich, das als Kind „määndernde bänder … durch das dickicht einer geschichte“ stickte.
Die Wortbänder sind nicht mit der heißen Nadel gestrickt. Die Sätze sind knapp, manchmal gekappt, was ein zusätzliches Verharren provoziert. Nichts wird dem Zufall überlassen. Wie wenn man mit dem Text „einen eigenen tag zu ersinnen trachtete, der dann nichts anderes als ein abbild des alltags war“. In diesen Arbeiten ist ihr weit mehr als ein Abbild gelungen.
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