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Schall und Rauch
 

Ossietzky 13/2005


 
 
Nomen est omen, sagt der römische Komödiendichter Plautus, während bei Goethe im »Faust« zu lesen ist, Namen seien Schall und Rauch. Aber nein, Herr Geheimrat, Namen sind sehr wichtig, prägen sie diese oder jene Institution. Hinter mancher Benennung steckt ein so übler Patron wie der frühe Hitler-Förderer und Super-Nazi Eduard Dietl, nach dem Kasernen und Straßen benannt waren. Es bedurfte jahrzehntelanger Kämpfe, bis die Bundeswehr diesen Mann nicht mehr als Vorbild und traditionswürdig betrachtete. Von der Armee zu den Akademikern: Nach wem heißen denn unsere Hochschulen? Glücklich dran ist Berlin mit Wilhelm von Humboldt, der die Universität 1810 gründete und seinem jüngeren Bruder Alexander, der das Projekt förderte, Frankfurt/Main mit Goethe, Jena mit Schiller, Mainz mit Gutenberg, da ehrt man die richtigen Leute, anders als in Tübingen mit seiner Eberhard-Karls-Universität. Im Testament des Eberhard im Barte »wurden die Juden gescholten als Gott dem Allmächtigen, der Natur und der christlichen Ordnung gehässig, verschmäht und widerwärtig, als nagende Würmer, dem gemeinen armen Mann und Untertanen verderblich ...« (Zitat aus Jud Süß, Lion Feuchtwanger, Fischer-tb 1976, Seite 291) Der zweite Mann in diesem edlen Duo ist Karl Eugen, im 18. Jahrhundert absolutistischer Regent von Württemberg, ein Bauernschinder und Bauernschlächter, der auch gern seine Landeskinder als Söldner in fremde Länder verkaufte, um seinen luxuriösen Hofstaat zu finanzieren. Einige couragierte Studenten kämpfen seit Jahren darum, diese Symbolfiguren loszuwerden und ihre alma mater nach Ernst Bloch zu benennen. Wäre es nicht ein längst notwendiger Schritt, den wüsten Antisemitimus im Eberhard-Testament zu konterkarieren, indem ein deutsch-jüdischer Philosoph als Namensgeber gerade dieser Universität geehrt würde?

Die Leipziger Uni hieß nach dem Juden Karl Marx, was infolge der sogenannten Wende gar nicht schnell genug rückgängig gemacht werden konnte. 1998 regte zum Ausgleich der ASTA in Trier beherzt an, die dortige Hochschule mit dem Namen des in eben dieser Stadt geborenen Karl Marx zu versehen. Der Mann ist umstritten? Merkwüdig, bei irgendeinem hochgeborenen adligen Namenspatron verhält man sich bei weitem nicht so pingelig, da ist ein beliebiger Fürst jederzeit genehm, streng und unnachsichtig geht man nur zu Werke, steht - und hier bediene ich mich gern des altmodischen Wortes - ein Geistesfürst zur Diskussion. In diesen Fällen rechnet man auf und verwirft. »Tut nichts, der Jude wird verbrannt«, lesen wir in Lessings Nathan. Man könnte das variieren: Tut nichts, im heutigen vereinigten Deutschland ist nur im Sonderfall Heinrich Heine die Düsseldorfer Universität nach einem Juden benannt, der Streit darüber zog sich durch 20 Jahre hin, exakt von 1965 - 1988. Das erinnert an die ewigen Querelen um Oldenburg und Ossietzky, der war zwar kein Jude, doch Pazifist sowie links, offenbar sehr hohe Hürden, aber seit 1991 heißt die dortige Uni endlich nach dem Friedensnobelpreisträger.

Signifikant der Fall Einstein. Er ist dokumentiert durch eine Ulmer Juso-Hochschulgruppe, im www zu finden unter dem Titel: »Es war einmal ... oder: Geschichten erzählen die Geschichte«, Autor: Bernhard C. Witt. 1979 wurde darüber beraten, den in Ulm geborenen, weltberühmten Physiker zu ehren, indem man anläßlich von dessen 100. Geburtstags die Universität mit seinem Namen versah. Dem stand »grassierender Antisemitismus in Teilen der Ulmer Bevölkerung« entgegen. Kein Trost, daß nur ein Teil der Einwohner judenfeindlich war. Ein weiterer Bericht, abzurufen im Internet unter dem Link Anna-Essinger-Veranstaltungen, besagt, daß dem Plan verschiedentlich zugestimmt wurde, letztlich die »Uni-Verwaltung jedoch ablehnte«. Na, sowas.

Hier ist nun eine der in den letzten Jahren selten gewordenen Gelegenheiten, mit gutem Grund die Worte zu zitieren: »Amerika, du hast es besser«. (Goethe) In New York gibt es seit langem eine Albert-Einstein-Universität.

Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung von Ingrid Zwerenz und der Zweiwochenzeitschrift Ossietzky 13/2005.

 

Ingrid Zwerenz
Aufsatz