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Constanze John
Freilichtmuseum


Überall ist Freilichtmuseum. Manchmal
ist dafür ein Eintritt zu bezahlen.
Über die ansteigende Bergwiese verbreitet sich
ein ganzes Dorf.

Dunkle, naturelle Wolken ziehen zügig
über das Museumsdorf, vielleicht nur
des Lichtes wegen, das sich zwischen solch
Wassergedämpf
einfach besser zeigen kann.

Das junge Mädchen besitzt einen Körper
mit schmalen Gliedern. So gestaltet,
betritt sie das Kirchlein, in dem
wir schon warten auf sie.
Fremd wird sie uns führen.

Sie tritt nach vorn,
mitten hinein in den Raum,
hält ein Blatt Papier vor sich,
als wolle sie singen.

Wir, die Gäste, warten,
bis sie soweit ist.
Und auch sie wartet,
lässt uns noch ein wenig länger warten.
„So!“

Unter Umständen nimmt einer an,
das sei ja nun
bestimmt keine Vollkommenheit.
Und unter Umständen fühlt sich einer von uns
da gleich wie erhoben,
und
trägt sich selbst empor,
und
steht dann dort oben
auf tönernen Füßen.
„Sollte nicht besser ich?“

Aber als könne der deutsche Reiseleiter
es sicher nicht besser,
und sie
wisse das sehr genau,
so energisch schüttelt das Mädchen jetzt
ihren Kopf.

Und endlich wünscht sie uns
den guten Tag,
den wir schon lange mit ihr haben.

Nun folgt die nächste Pause.
Ganz klar: Wir müssen sie nehmen,
wie sie ist. Und
wir nehmen sie so,
allesamt im Urlaub, und
sie erzählt uns über slowakische Erde,
über Kirchen und Dörfer.
Jedes deutsche Wort bekommt,
hervorgebracht durch sie,
seine eigene Bedeutung.

Am Ende lächelt sie,
als wolle sie sagen:
›Gern können Sie sich jetzt
bei mir bedanken!
Und:
Ich bin jung.
Und:
Was zu uns kommt,
kann nur ein Glück sein.
Und:
Genau das ist hier unser Leben.‹



2006/2014
Constanze John   2014   

 

 
Constanze John
Prosa
Lyrik