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Constanze John
FreilichtmuseumÜberall ist Freilichtmuseum. Manchmal ist dafür ein Eintritt zu bezahlen. Über die ansteigende Bergwiese verbreitet sich ein ganzes Dorf. Dunkle, naturelle Wolken ziehen zügig über das Museumsdorf, vielleicht nur des Lichtes wegen, das sich zwischen solch Wassergedämpf einfach besser zeigen kann. Das junge Mädchen besitzt einen Körper mit schmalen Gliedern. So gestaltet, betritt sie das Kirchlein, in dem wir schon warten auf sie. Fremd wird sie uns führen. Sie tritt nach vorn, mitten hinein in den Raum, hält ein Blatt Papier vor sich, als wolle sie singen. Wir, die Gäste, warten, bis sie soweit ist. Und auch sie wartet, lässt uns noch ein wenig länger warten. „So!“ Unter Umständen nimmt einer an, das sei ja nun bestimmt keine Vollkommenheit. Und unter Umständen fühlt sich einer von uns da gleich wie erhoben, und trägt sich selbst empor, und steht dann dort oben auf tönernen Füßen. „Sollte nicht besser ich?“ Aber als könne der deutsche Reiseleiter es sicher nicht besser, und sie wisse das sehr genau, so energisch schüttelt das Mädchen jetzt ihren Kopf. Und endlich wünscht sie uns den guten Tag, den wir schon lange mit ihr haben. Nun folgt die nächste Pause. Ganz klar: Wir müssen sie nehmen, wie sie ist. Und wir nehmen sie so, allesamt im Urlaub, und sie erzählt uns über slowakische Erde, über Kirchen und Dörfer. Jedes deutsche Wort bekommt, hervorgebracht durch sie, seine eigene Bedeutung. Am Ende lächelt sie, als wolle sie sagen: ›Gern können Sie sich jetzt bei mir bedanken! Und: Ich bin jung. Und: Was zu uns kommt, kann nur ein Glück sein. Und: Genau das ist hier unser Leben.‹ 2006/2014
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Constanze John
Prosa
Lyrik
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