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Constanze John
Dichters Ort
Etwas ist ihnen auf den Magen geschlagen. Das ist bildlich zu sehen. Aber nicht nur. Und bildlich gesehen, kommt es jetzt heraus, was auch immer es gewesen sein mag. Der Körper hat seine Öffnungen; ansonsten neigt er nicht zur Explosion.
Noch sind die Erkrankten mit dem Bus unterwegs, zum Haus des rumänischen Dichters. „Sollen sie nur kommen!“, denkt der inzwischen schon. „Ich werde die Gäste kurieren!“ Und er beginnt den Tisch zu decken, mit Brot und Speck und Selbstgebranntem. Tee kocht er auch. So hat es ihm seine Frau doch extra aufgetragen.
Anschließend sitzt der Dichter im Garten, hinter der Streuobstwiese, und unter dem weiten Holzdach des Hauses. Immer mal wieder schreibt er dort ein Wort auf; und trinkt auch immer mal wieder einen Schluck. Hier hat er Zeit und der Sommertag ist warm. Und so erwartet er die Gäste.
Schließlich fährt der große blaue Bus auf der Dorfstraße vor. Der Motor wird abgestellt und die Türen öffnen sich. Vorsichtig steigen die Durchgeschüttelten aus und schleichen-schlendern abwesend-anwesend hinüber zum rumänischen Noah samt seiner Arche. Werden sie noch irgendwie zu retten sein?
Zu diesem Zweck öffnet der Dichter jetzt erst einmal seine Arme weit. Natürlich, ein bisschen betrunken ist er inzwischen auch. Aber Selbstgebrannter ist Genussmittel, Medizin und Desinfektion in Einem!
Die Gäste aus dem fernen Deutschland versammeln sich an seinem Tisch. Bald liest ihnen der Hausherr seine Dichtungen vor und lässt schon die zweite Flasche kreisen.
Was für ein herrlicher Geist aber auch!
2006/2014
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Constanze John
Prosa
Lyrik
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