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Gustav Ernst
Beste Beziehungen
Durch den Fleischwolf
Kritik |
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Gustav Ernst
Beste Beziehungen
Roman
Haymon 2011
212 Seiten, 19,90 Euro
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Dem Volk aufs Maul und auf die Hand schauen, diesem Credo dürfte Gustav Ernst seine Literatur verschrieben haben, und ihm folgt der für gnadenlosen Realismus berühmte wie berüchtigte Autor und Kolik-Herausgeber auch in seinem neuesten Roman. Logisch daher, dass es sich weniger um „beste“, vielmehr um typische, in jedem Fall schicksalsträchtige zwischenmenschliche Konstellationen dreht. Logisch auch, dass ein Hinschauer wie Ernst vor keinem gesellschaftlichen Tabu Halt macht, wenn er die Sprachschraube immer fester in Richtung Katastrophe dreht.
Franz und Lisa sind nach außen hin ein Bilderbuchpaar. Sie haben zwei Kinder, Franz hat einen sicheren Job im Magistrat und Lisa ein gut situiertes Elternhaus als Rückhalt. Doch von Idylle keine Spur. Lisa, die ihr privates Glück über die Karriere ihres Mannes definiert, lässt keine Gelegenheit aus, diesem ihre Verachtung über seine berufliche Stagnation spüren zu lassen: „Keinen Funken Ehrgeiz, sagt Lisa. Was ist das für ein Mensch, ohne einen Funken Ehrgeiz? […] Jeder wird fragen: Was ist mit der Beförderung? Wann kommt sie? Ist es schon so weit?“ In Franz brodelt es seit langem, aber er schweigt. Mit dem Schritt in die berufliche Selbstständigkeit kommt der Aufschwung. Doch die Freuden Lisas, die bereits mit einem Luxusleben liebäugelt, sind nur von kurzer Dauer. Als sich das finanzielle Glück wendet, sieht Franz nur eine Möglichkeit, mit seiner Schmach umzugehen.
Der Deutschlehrer Stöger soll seiner siebenjährigen Nichte Pia Nachhilfeunterricht geben. Keine gute Idee, weiß Stöger, denn er entwickelt seit einiger Zeit mehr als bedenkliche Gefühle im Umgang mit jungen Mädchen. Seine Frau allerdings lässt nicht locker, schließlich willigt Stöger ein. Bald wird der Privatunterricht auf drei Mal die Woche ausgeweitet, und Stöger achtet penibel darauf, dass niemand seine Lektionen stört.
Um Beziehungen in Reinkultur geht es also, um Krisenzeiten und das Scheitern darin und daran. Als hätte er ein Vergrößerungsglas zur Hand, untersucht der Autor bisweilen quälend minutiös unterschiedlichste Paarkonstellationen und verknüpft sie im Verlauf der Geschichte lose miteinander. Manche Schicksale tauchen nur episodenhaft am Rand auf, andere, wie jenes von Jack, seines Zeichens Büroleiter des christlichsozialen Wirtschaftsministers, dominieren weite Strecken des Buchs. Ungeniert weiß sich Jack seinen Vorteil zu verschaffen, etwa, wenn es darum geht, seine Alkofahrt inklusive Unfall mithilfe von höchster polizeilicher Intervention zu vertuschen, oder wenn er eine sexuelle Liaison mit aller Sprachgewalt aus seiner Welt räumt: „Du warst ja überhaupt nicht wegzubringen von meinem Hosentürl. Gebettelt und gefleht hast du: Gib mir deinen Schwanz. […] Das wissen doch alle, wie scharf du auf den Referentenposten bist. […] Kusch jetzt, Trampel, du ziehst die Klage zurück, und zwar sofort. […] Und such dir schon mal einen anderen Posten. Vielleicht als Kassiererin im Einkaufszentrum Nord.“ Es ist schließlich Wahlkampf, da geht es nicht zimperlich zu bei den Saubermännern der Politik.
Ein wenig fühlt man sich an Ulrich Seidls Film „Hundstage“ erinnert, der gleichfalls unterschiedliche Beziehungen in Verbindung setzt, um dann unweigerlich auf die Eskalation zuzusteuern. Hier wie dort steht über allem der Versuch, ein normales Leben zu führen, jenseits der Verletzungen, die man einander bewusst oder unbewusst zufügt. Durch die konsequente Aussparung von Erzählerkommentaren – durch die reine Beschreibung – kommt eine Unmittelbarkeit zustande, die zwar schonungslos brutal, letztlich aber das einzige Mittel ist, zumindest bis zu einem gewissen Grad Nachvollziehbarkeit zu gewährleisten. Im Grunde ist nichts an dieser Handlung erfunden, lediglich hat der Autor zahlreiche Grausamkeiten der Wirklichkeit genau analysiert und geschickt arrangiert. Der Dialog dominiert das Buch, gerät oftmals zum Monolog, zur Tirade, und in gleichem Maß wächst die Sprach- und Fassungslosigkeit des Rezipienten. Starke Nerven sind für die Lektüre unabdingbar, ebenso wie die Bereitschaft, tief genug in die menschliche Seele schauen zu wollen, dass der Blick mitunter empfindlich schmerzt.
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