Dominik Dombrowski
Blüte
Die Speiseröhre in der sie den Tumor fanden
stellte ich mir immer
wie einen Pflanzenstengel vor
die Metastasen die bald
ihren ganzen Rücken
befielen
bis in den Kopf hinein
begriff ich als eine Art
Pollenflug
Irgendwann habe ich begonnen
ihre Wohnung zu putzen
wie ein Gärtner
dachte ich
würde ich wieder Licht
in ihren Körper
bringen können
wenn erst einmal wieder
die Räume
bestellt wären denn
sie war eine Pflanzenfrau
Überall in ihren zwei Zimmern
wucherte etwas
Es gab da ein richtiges Beet
auf dem Balkon
sogar einen Apfelbaum
einen Apfelbaum im zweiten Stock
An manchen Stellen
war der Parkettboden schon aufgequollen
vom Blumenwasser
so daß ihr Vermieter bereits
zu schimpfen begann
Denn immer wieder mal
waren ihr die Kübel übergelaufen
und die Töpfe
mit den ganzen Palmen
den Hyazinthen
Amaryllis und den Orchideen
ließen auf den Fenstersimsen
rundliche Rostflecken zurück
Als sie noch einmal nach Hause durfte
war sie eine rauchende
lächelnde Morphinistin geworden
In ihrem Schlafanzug aus aufgebügelten Monden
schlich sie
durch die aufgehobene Zeit
Sie begann
immer kleiner zu werden
mit ihrer Gießkanne in der Hand
verschwand sie dann
eines Tages Ende März
irgendwann
zwischen den Kakteen
den Kräutern
und den Klettergewächsen
und den Mandarinenbäumen
und dem Katzengras
hinterm Vogelhaus
Ich habe sie nie wiedergesehen
Dominik Dombrowski 06.08.2008
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Lyrik
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