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Stephan Porombka

Gespräch mit Kathrin Bach
In zehn Jahren wird nichts mehr so aussehen, wie wir das kennen
  Gespräch
Literatur und Förderung, so das The­ma, bei dem es um Stipen­dia­ten, Preise und Ver­lage geht. Kann För­derung die Schreib­weise der Autoren verändern? Benöt­igen wir mehr För­derung? Wie sieht die Zukunft aus?

Ungekürzt erschienen in
poet nr. 14
Literaturmagazin
poetenladen, Frühjahr 2013
Stephan Porombka wurde 1967 in Salz­gitter gebo­ren. Er studierte Ger­manis­tik, Poli­to­logie und Thea­ter­wissen­schaft in Braun­schweig und Berlin und promo­vierte über die Geschich­te der digi­talen Literatur (1999). Von 2007 bis 2013 wart er Pro­fessor für Lite­ratur­wissens­chaft und Kultur­journalis­mus an der Uni­versität Hildesheim und unterrichtet nun „Texttheorie und Textgestaltung“ an der Universität der Künste Berlin. Zu ­seinen For­schungs­schwer­punkten gehören Lite­ratur und Journalis­mus, Sach­buch­forschung, ange­wandte Literatur­wissen­schaf­ten und lite­rarische Kreativ­ität. Zahlreiche Heraus­gaben und Einzel­titel, zuletzt unter anderem Meyers Atlas inspi­rierender Orte (mit Wiebke Porombka), Biblio­graphi­sches Institut, Mannheim 2012.


Kathrin Bach: Schieß los: Inwiefern ist eine Schreibschule, wie wir sie zum Beispiel hier in Hildesheim haben, für dich Literaturförderung?

Stephan Porombka: Im Feld der literarischen Förderung muss man unterscheiden: Es gibt Leute, die was geschrieben haben und die man dafür prämiert, dass sie etwas geschrieben haben, das fertig ist. Es gibt Leute, die Pro­jekte direkt vor der Brust haben und das machen wollen und dafür Stipendien kriegen. Und dann gibt es aber auch Leute, die gerade erst ange­fangen haben zu schreiben und die sich in ihrem Schreiben noch ent­wickeln und das nicht alleine können. Das wäre eine dritte Säule der Förderung: Leute, die in der Entwicklung sind und noch am Anfang stehen, zu coachen. Diese Begleitung findet man im Rahmen eines Studien­ganges an der Universität noch nicht lang.

K. Bach: Würdest du denn sagen, dass die Schreibschüler, die dieses Coaching erhalten, dann später auch die sind, die die Preise und Stipendien abstauben?

S. Porombka: Ach, ich glaube, das weißt du selbst: Weder ist das Schreiben linear noch die Ent­wicklung von Autoren­bio­grafien. Und manchmal tauchen junge Men­schen in diesen Studien­gängen auf und glauben, dass sie etwas Bestimm­tes erfüllen müssen. Meistens erfüllt es sich bei ihnen nicht und das ist mit unglaub­lichen Frustra­tionen verbunden. Es geht aber einfach darum, sich im Schreiben weiter zu ent­wickeln und Schreib­schu­len bieten die Möglichkeit, sich konzen­triert mit dem Schreiben zu beschäf­tigen. Was dann daraus wird, ist die zweite Frage und für die Antwort braucht man die Zeit, die man auf den Schreib­schulen ist.

K. Bach: Kannst du definieren, was für dich Literaturförderung bedeutet?

S. Porombka: Die klassische Formel für die Literaturförderung in Deutschland ist: das Fördern, das es schwer hat. Da nimmt man an, dass der Markt nur eine bestimmte Form von Lite­ratur bevorzugt – also ausreichend bezahlt – und dass Lite­ratur kaum mehr nach­gefragt wird, sobald sie avant­gardis­tischer und anstren­gen­der wird und mehr Reflexion und mehr Zeit des Lesers in Anspruch nimmt. Wenn man das allein dem Markt über­lassen würde, würde diese Form von Lite­ratur einfach ver­schwinden. Also baut man eine staatliche Lite­ratur­förderung, die versucht, jenseits des Marktes zu stützen.

K. Bach: Was meinst du, worin steckt die meiste Literatur­förderung, in den Preisen und Stipendien, oder fällt dir noch etwas anderes ein?

S. Porombka: Das ist so: Wenn ich in der Nieder­sächsi­schen Literatur­kommis­sion sitze, dann geht es um Stipendien und Preise. Und um Preise und Stipendien. Es gibt nichts jenseits davon.

K. Bach: Also Spitzenförderung?

S. Porombka: Es gibt immer Breiten- und Spitzen­förderung. Aber immer, wenn du viel Breiten­förde­rung machst, kommt irgend­wann jemand und sagt, das ist zwar nett, aber es kommen keine Spitzen­produkte bei raus. Wir müssen Leute fördern, die wirklich gut sind. Wir müssen die aussortieren und dann müssen wir das Geld dahin werfen, wo wirklich gute Sachen entstehen. In der Kultur­politik nennen sie das Leuchtturm­projekte.

K. Bach: Wie findet man die, die Leuchtturmprojekte?

S. Porombka: Für die Schrift­steller­förderung würde das heißen, dass man zum Beispiel weniger Stipendien aus­schreibt, aber dafür unglaublich viel Geld gibt ... Oder schauen wir uns die Bestre­bungen in Dresden an, wo man überlegt, ob man ein Literatur­haus bauen soll. Wenn man ein Literatur­haus baut, will man ein Leuchtturm­projekt machen, so ein richtig großes, festliches, wie ein Opernhaus. Und da müsste man richtig Geld drauf legen. Wenn man in einem Bundes­land ist, wo das Geld begrenzt ist, überlegt man, gebe ich es jetzt aufs Land und sage, es muss überall kleine Literatur­büros geben oder nehme ich alles Geld und ziehe es aus dem Land ab und baue ein richtiges Literatur­opern­haus mit all dem, was es kostet. Und in Dresden gibt es Bestre­bungen, die sagen, eine bürger­liche Kultur braucht so etwas als bürgerliches Aushänge­schild. Das ist kein Streit, der gelöst ist, sondern das geht hin und her.

K. Bach: Hast du eine Idee, wie es ausgeht?

S. Porombka: Ich finde es sinnvoll, das zu machen, weil ich glaube, dass es wichtig ist für die Literatur, dass sie ein Leuchtturm­format bekommt. Und jetzt ganz böse gesagt: Man muss mal Literaturprunk betreiben. Denn ich glaube, dass ein Leucht­turmprojekt eine Leucht­kraft hätte, die wieder eine bestimmte Fas­zination für die Literatur auslösen könnte und dass diese dann ein bisschen von dem Glanz ab­bekommen könnte, den die anderen Künste haben.
  Das wäre genau die richtige Zeit, das zu machen. Aber ei­gentlich ist es so, dass die großen Sachen, die es schon gibt, sich jenseits der klassischen Literatur­förderung entwickelt haben. Etwa die lit.COLOGNE.

K. Bach: Die ist sogar parallel zur Leipziger Buchmesse.

S. Porombka: Ja, klar. Völlig frech. Und das ist prunkhaft, ein großes Event. Das gibt es von der staatlichen Literatur­förderung nicht. Das liegt daran, dass die Gelder für Literatur­förderung extrem knapp sind und dass sie dauernd zusammen gestrichen werden. Es gibt freie Förderung und institu­tionelle För­derung. Und institutionelle Förderung heißt immer, es gibt Häuser oder Vereine, die kriegen jedes Jahr Geld. Und wenn du durch die Länder gehst, siehst du, die haben im Schnitt 200.000 Euro für Li­teratur­förderung – was absolut wenig ist, weil die anderen Küns­te immer extrem viel bekommen. Und dann siehst du auch, von diesen 200.000 Euro sind 150.000 Euro festgelegt für dieses Literatur­büro, das schon seit 20 Jahren Geld kriegt und für diesen Verein, der auch schon seit 20 Jahren Geld kriegt usw. Und daneben ist gar kein Platz mehr, dass sich noch irgendwas entwickeln kann.

K. Bach: Nur noch Trostpreise übrig ...

S. Porombka: Niemand in den Ländern traut sich zu sagen, so, ihr habt das jetzt 20 Jahre bekommen, jetzt ist Schluss. Das heißt, du kommst auch nie wieder an das Geld ran. Von den 200.000 Euro sind immer 150.000 Euro weg und dann musst du gucken, wie du mit den 50.000 Euro arbeitest und damit baust du keine Leuchttürme. Man kann in den Ländern generell beobachten, dass die Formen von Literaturförderung kaum Entwicklungs- und Spielmöglichkeiten und Experi­mentier­möglich­keiten haben. Es wird im Grunde immer fort­geschrieben, was im ­letzten Jahr passiert ist und das ist natürlich besonders für Gegen­warts­lite­ratur was ganz Eigenartiges.

K. Bach: Und was ist mit freier Förderung, wie es sie früher durch Mäzene gab? Denn heute haben wir zum Beispiel das Crowd-Founding, bei dem es ja wieder in diese Richtung geht. Wird sich das als neue alternative Art von Literaturförderung herausstellen?

S. Porombka: Du meinst, dass das Publikum sich das selbst vor­finan­ziert. Das ist interessant und eine völlig neue Sache. Es gibt zum Beispiel ein neues Buch von Dirk von Gehlen, in dem es um Urheber­rechte geht, und der hat damit innerhalb von zwei Tagen das Vierfache von dem Geld einge­nommen, das er braucht, um dieses Buch zu machen. Aber ob man das als eine Form von Literatur­förderung bezeichnen kann ...
  Es löst sich natürlich von diesem Fördern, das es schwer hat. Weil alles, was da gefördert wird, hat es deswegen nicht schwer, weil es gefördert wird. Da muss es viele Leute geben, die sagen, das interes­siert mich. Das gab es ja auch früher bei Büchern, also, dass du sie vorbestellst: Subskription.

K. Bach: On demand.

S. Porombka: Ich würde vermeiden, dafür den Begriff der Literatur­förde­rung zu verwenden, weil Literaturförderung eben unspezifisches Geben ist und das ist sehr spezifisches Geben.

K. Bach: Wobei man doch, wenn man bestimmten Autoren einen Preis oder ein Stipendium gibt, auch sehr spezifisch fördert.

S. Porombka: Wobei du meist eine Jury zwischenschaltest. Du gibst nie jemandem einfach Geld. Es gibt immer eine Jury, die das verteilt, und in dieser Jury sitzen Experten.

K. Bach: Was meinst du, wie wird man mittlerweile als junger Mensch zum »erfolg­reichen« Schriftsteller und welche Rolle spielt dabei Literaturförderung?

S. Porombka: Das, was du mit »erfolgreicher« Schriftsteller meinst, ist heikel. Man könnte auch sagen, man ist erfolgreich, wenn man sich von Stipendium zu Stipendium hangeln kann. Deswegen finde ich, dass zur Entwicklung eines Schrift­stel­lers Stipendien dazugehören.
  Einfach, weil sie Zeiten überbrücken und Zeit freimachen, in der man an seinen Sachen arbeiten kann. Wenn man Literaturliteratur macht, also wenn man keine Krimis oder für den gehobenen Bahnhofs­buchhandel schreibt, dann kommt man um diese Form der Förderung gar nicht herum. Bis 30 ist diese Förderung sehr gut mittlerweile. Alle sind verliebt in Debüts und in junge Autoren.
  Und wenn man sich mal überlegt, von was man als Schriftsteller lebt, dann sind das vier Bereiche: Das eine ist das Honorar, das man be­kommt. Das Zweite ist das Geld, das man für Lesungen bekommt. Das Dritte ist, dass man Softeis verkauft. Und das Vierte ist, dass man ein Stipen­dium bekommt. Aus diesen vier Sachen setzt sich das zusammen und da würde ich noch nicht mal von erfolgreich sprechen, sondern, dass man sich so über Wasser halten kann, aber vielleicht ist das schon erfolgreich.

K. Bach: Das ist erfolgreich ... Blicken wir jetzt mal in die Zukunft: Wie, denkst du, wird der Literaturbetrieb in zehn Jahren aussehen und welche Rolle spielt dann Literaturförderung?

S. Porombka: Wir sehen alle, dass der Literaturmarkt, so wie wir ihn ­bisher kennen, vor voll­ständigen Verände­rungen steht. Und dass wahrscheinlich in zehn Jahren nichts mehr so aussehen wird, wie wir das kennen. Bis zur Buch­preis­bindung hin gibt es viele Sachen, die sich grund­sätz­lich auflösen werden. Wenn es Aufgabe der Lite­ratur­förde­rung ist, zu fördern, was es schwer hat, dann werden wir beobachten, dass in den nächsten Jahren alles, was mit an­stren­gender Literatur zu tun hat, zur Seite geschoben wird. Es wird nicht mehr in die Verlage finden, weil die Ver­lage immer verkaufs­orien­tierter ar­beiten werden und die Lite­ratur­lite­ratur wird ab­wan­dern in kleinere Verlags­pro­jekte. Die Literatur­förderung wird also dafür sorgen müssen, diesen Bereich der kleinen Verlage und der Literatur­literatur am Leben zu erhalten. Alles, was experimentell ist und was versucht, den Literatur­begriff weiter zu ent­wickeln und was auszu­probieren, wird man künstlich am Leben erhalten müssen.
  Literaturförderung guckt im Moment sehr stark auf gedruckte Literatur. Es gibt gar keine Vor­stellung davon, dass es andere Formen von Literatur gibt, die man fördern könnte. Bei den Bewer­bungen für Stipen­dien heißt es meistens, man muss 20 Seiten ausgedruckt haben, du kannst keinen Stick senden, keine Texte, die du nicht ausdrucken kannst. Also keine Texte, die Filme haben oder aus Links bestehen. Man muss eine neue Kate­gorie fest­machen, in der man experi­mentelle oder digitale Lite­ratur fördert. Wobei man dann merken wird – gerade bei solchen Transmedia-Story­telling-Projekten – dass auch die Bereiche zwischen Literatur und Musik und Lite­ratur und Film extrem fließend werden. Dass sich die Grenzen der Künste in diesen Bereichen auflösen. Und dass es nicht nur eine mediale Auf­lösung gibt, sondern auch eine Auflösung der Künste und dass es dafür noch gar keine Lite­ratur­för­derung gibt, dass sie sich aber darauf einstellen muss.

K. Bach: So eine Art Casting-Show?

S. Porombka: Ja, ich glaube viel eher, die Literaturförderung muss wieder Strukturen schaffen, in denen sie sich selbst über­raschen lassen kann. Im Moment können sie nur das kriegen, was sie selbst erwarten. Sie ­wollen Romane und kriegen 200 Bewer­bungen mit Roman­pro­jekten. Manch­mal gibt es eine Lyrik­sammlung und so weiter. Alles Formate, die schon 1960 hätten einge­reicht werden können. Und wenn das so weiterläuft, dann machen die das noch in 30 Jahren. Diese Form von Literatur wird ab­wandern in kleine Verlags­projekte. Und was jenseits davon kommt, lebt davon, dass es extrem innovativ ist. Aber immer, wenn du was Neues aus­probierst, kannst du die Kategorien nicht vorher formu­lieren. Und darauf wird sich die Literatur­förderung einstellen müssen: Zu sagen, wir wissen gar nicht, was wir wollen, schickt uns mal was. Wir wissen auch nicht, wie ihr es uns schicken könnt. Aber wir müssen irgendwie davon erfahren, dass es das gibt.

K. Bach: Vielen Dank für das Gespräch.
  Das Gespräch wurde für online Wiedergabe geringfügig gekürzt.

Dieses Gespräch
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zum Thema in poet nr. 14

Literaturmagazin
poetenladen, Leipzig Frühjahr 2013
232 Seiten, 9.80 Euro

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Kathrin Bach    27.04.2012   

 

 
Kathrin Bach
Lyrik