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Kerstin Preiwuß – Archiv

havarie

nur wenige segelschiffe hatten die umstellung von wind
auf dampf überstanden und fristeten ihre letzten tage mit
dem transport von brennholz


der alten kogge eines bein
war ganz geknickt, so dass
sie wie im winkel ging,
mit einem knochen aus der wand
band sie sich an das wasser an,
aus ihrem lippenlosen rumpf
trieb ihr das strandgut in den mund
hinein heraus fuhr all ihr hab ins grab
und gut behandelt sah die not
von ihrem einen vogelbein
auf dieses unglück ganz allein



später sommer

der see ist heute ganz verwaist
und wie benommen
legt die schwalbe ihre federn an,
das geht so herztonnah
wie es begann

mag sein
heut steht der hecht in seinem grund
und nach dem regen läuft der aal,
es kann die rohrdommel am ufer sein

frau spinne
leih sie mir ihr netz,
hab mich verloren im mückentanz,
die schwalben beschließen den sommer



altweibertag

das alte weib läuft zu den moiren über,
setzt sich zu ihnen und da
sitzen sie zählen zusammen
unter der thermik wandernder tage
die maschen:

eine webt
eine hält
eine sticht

und im grunde genommen
spinnt nur der alte krebs noch, ein ritter,
den faden zurück,

gevatter,
behalt mich noch ein wenig ein
von zeit zu zeit
ist es so vieles zu leben



narretei

die grenze ist ihm unter die haut gegangen
cäsar überschritt den rubikon,
da kroch er zurück in sein fell

wie er an meinen fußsohlen klebt,
schon juckt es ihn
ein musikant ist er, ein singvogel, ein pirol
preist er den könig an:
das schilf hängt midas aus den ohren

auf meinem heimweg habe ich den till getroffen
es war eine lange reise, aber wir sind uns begegnet



federlese

in der mitte der brust
trägst du eine furche sonst
meinst du nur bei den vögeln
krümmt sich der flaum

einwärts entgegen
dem aufrechten gang



nachricht von neuen sternen

die bestimmung der geographischen länge zur see durch vergleich
der am sonnenstand ermittelten ortszeit des schiffes mit der an einer
mitgeführten uhr abgelesenen zeit des heimathafens, sagt galilei,


ist wie eine nachricht von neuen sternen:
weder will ich noch werd ich noch kann ich je
das maß verstehn, aus dem die erde fiel
jedes bild kommt verkehrt im auge an,
die sterne bewegen sich nicht

am liebsten rief' ich sie an
würfe noch steine gegen den himmel

du bist besessen,
sagt der rest

ich mess die hölle,
sagt galilei

Kerstin Preiwuß: nachricht von neuen sternen
Connewitzer Verlagsbuchhandlung: Sommer 2006

Archiv 17.06.2006

 

 
 
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