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Sándor Tatár
„Krieg und Frieden“

 

Astronom war ich – Sterngucker.
Suchte unermüdlich den Himmel ab mit seinen Sternen,
wiewohl sie stets von ferner Zukunft kündeten
oder von längst Vergangenem; nie klipp und klar davon,
was „meine Sache“ wär.
Um hell strahlende Hirten grasten
im ebenholzfarbnen Gefilde ohne Ende
friedlich die Sternenherden;
in Sommernächten jagten Sternschnuppen
wie flinke Hütehunde durch sie hindurch.
Dann brach der Krieg aus.
Das Herz blutete mir,
als ich mein Fernrohr, das beste im ganzen Land
(ich möchte sagen: in fünf Ländern gab's kein besseres)
zu einem Spottpreis verhökern musste;
viel war damals dafür nicht rauszuholen, denn
zum Einsatz ohne Umbau bei der Luftabwehr
war es einfach zu gut.
Ich musste es einfach loswerden –
beschlagnahmt worden wär' es ohnehin,
Astronomie galt als Marotte feiner Leute;
wovon die Sterne kündeten, lag allzu weit zurück,
oder in ferner Zukunft erst –
der Feind, so heißt es, ist nicht wählerisch, ihm ist
egal, ob nun Spital, ob Mühle, Sternwarte, Theater …
beste Verteidigung ist: Angriff.
Die Sommerabende waren nun angefüllt mit Fluggetöse
und dem Gellen von Sirenen,
mächtige Lichtgarben von Suchscheinwerfern
strichen über den Himmelsbogen.
Als ich mich vom jämmerlichen Erlös meines Fernrohrs hatte
ausrüsten können und mit den Waffen auch umgehen konnte,
da brach der Frieden aus.
Die Menschen atmeten auf (erst hatten sie im Kriegsfieber,
dann im kargen Luftraum von Angst und Nihil existiert,
und nun, seht, lebten sie, davongekommen diesmal noch,
im Friedensrausch); Waffen waren nicht mehr gefragt,
Essbares umso mehr, also wechselte ich herab
vom Himmel auf die Erde.
Freilich, ein eignes Stück Land zu erwerben
hatte ich keine Mittel; froh war ich schon,
dass sich für den Kriegsschrott Abnehmer fanden.
Es reichte grade für ein bisschen Pachtland (Obstbäume,
dürr da und dort, granatsplittergeschunden, Neupflanzung
„vom Munde abgespart“); zudem zog in adretten Reihen ich
Grünzeug. Recht dürftig war die erstjährige Ernte noch;
die Natur lässt sich nicht an die Leine nehmen –
die Zinsen für Hege und Pflege
streicht man nicht gleich ein. Im zweiten Jahr
riss sich der gerettete Bestand
allmählich zusammen; freilich waren Erträge
von den Setzlingen mitnichten zu erwarten.
Im dritten Jahr, noch vor der Reifezeit,
abermals: Krieg.
Tagsüber Qualm – brennende Kirchen, Wälder, Ölraffinerien –
nachts Lichter oben, Lichter unten: Luftangriffe.
Die Tageszeiten kamen durcheinander, ja selbst
die Jahreszeiten glichen sich übergangslos; grauenhaft die Wunden
am Leib der Erde.  –  Verteidigt hab ich mich und das,
was zu schützen man mich hieß, mit dem,
was mir vom Heer zugeteilt war.
Irgendwie hab ich es überlebt, und nun ist wieder Frieden (…).
Was ich anfangen werde, weiß ich selbst nicht.
– Vielleicht gibt's auch nie mehr zivile Wissenschaft.
 Mich kümmert's nicht.
Und sollte ich mich nie mehr (was wahrscheinlich ist)
hinter ein Fernrohr setzen,
steht es doch fest, dass ich von nun an auch mit bloßen Augen
einzig und allein Sterne betrachten werde,
nie mehr Menschengesichter, auch sprießende Knospen nie
an Obstbaumzweigen, nicht einmal Wolken,
wenn sie sich aufblähen vor der Sonne –
denn nur das, wovon die Sterne mähren,
wofür im eignen Leben
ich keinen Sinn noch Zweck erkenne,
was zu meiner Lebzeit weder bestätigt
noch widerlegt werden wird, und was dies
heutige Emsenvolk (so auch mich) nicht betrifft –
einzig und allein das ist
meine Sache.

Deutsch von Paul Kárpáti

Sándor Tatár  14.11.2008   
Sándor Tatár
Lyrik